Shadow of the Colossus

Shadow of the Colossus



Wenn ein Meisterwerk noch meisterhafter wird.


Es fällt uns bis heute schwer, Shadow of the Colossus zufriedenstellend zu beschreiben. Zu viele Worte, Stärken, nennenswerte Aspekte gibt es, die uns direkt in den Sinn kommen. Wo fangen wir an? Welches unterstreichen wir explizit?


12 Jahre nach Erstveröffentlichung auf der Playstation 2 dürfen wir endlich einen neuen Versuch wagen, dieses kolossale Meisterwerk in wenige Worte zu fassen. Denn Bluepoint Games, die Meister hinter Remastern wie der Uncharted Collection, der God of War Collection und der Metal Gear Solid HD Collection, geleitet das Werk von Team ICO in eine neue Konsolengeneration.


Und macht damit eindrucksvoll deutlich, wie wahre Videospielkunst aussieht.


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Wie beim ersten Mal


Keine langen Einleitungen, keine ausschweifenden Erklärungen, keine langweiligen Charaktervorstellungen. Shadow of the Colossus schickt uns auf eine unheimlich anmutende Reise, bei der Informationen Sparflamme sind.


Wir sind Wander und sollen unsere Begleiterin retten, deren Leben geopfert wurde. Wer die Frau ist, das erfahren wir nicht. Alles was wir wissen: Wir jagen einem noch geheimnisvollen Ziel hinterher, dessen Aufenthaltsort durch ein leuchtendes Schwert gezeigt wird.


Auf unserem treuen wird reiten wir also durch die Einöde, heben immer wieder unser Schwert, um den richtigen Pfad zu erkennen, und landen letztlich vor einer Klippe, die es zu besteigen gilt. Was uns hier oben erwartet? Das, was uns während der PS2-, der PS3- sowie nun auch während der PS4-Ära ins Staunen versetzt.


Der erste von insgesamt 16 monströsen Kolossen, die wir allesamt erklimmen und ins Jenseits befördern müssen, um der geopferten Frau neues Leben einzuhauchen.


Und der Beginn eines wahrhaft legendären Abenteuers, das uns seit der Erstveröffentlichung stets im Hinterkopf geblieben ist und unsere Definition eines grandiosen Videospiels grundlegend verändert hat.




Koloss-Climbing mit verbesserter Kontrolle


Das Vorgehen beim Koloss-Besiegen ist dabei stets identisch: Mögliche Kletterpunkte ausmachen, Timing perfekt anpassen und anschließend die unterschiedlichen Schwachstellen ausmachen, um mit unserem Schwert gezielt zuzustechen.


Natürlich ist das Ganze nicht so einfach wie gedacht. Zum einen bietet nicht jeder Kolossus direkt sichtbare Klettermöglichkeiten. Zum anderen müssen wir immer ein Auge auf unsere Ausdauerleiste haben, um nicht plötzlich den Halt zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen.


Somit gleicht jeder Koloss im Endeffekt einem gigantischen Puzzle. Wohin muss ich ihn locken, um die Schwachstellen zu erreichen? Wo lege ich eine Pause ein, damit mich meine Ausdauer nicht im Stich lässt? Jedes Mal muss man sich diese Fragen aufs Neue stellen und wird angenehm dazu eingeladen, kreative Vorgehensweise zu ergründen.


Als Veteran, der diese gefährliche Aufgabe bereits mehrere Male angehen durfte, fällt einem dann direkt die verbesserte Steuerung auf, die optional anwählbar ist. Während man hier keine weltbewegenden Veränderungen erwarten sollte, fühlt sich das Ganze nun tatsächlich angenehmer, deutlich besser kontrollierbar und damit auch zuverlässiger an.


Eine willkommene Optimierung, die das immer wieder beeindruckende Erklimmen der Kolosse noch angenehmer gestaltet und dem unbeschreiblichen Gefühl somit noch mehr Raum zur Entfaltung bietet.




Die Gedanken schweifen lassen


Viele Neuveröffentlichungen hätten hier einen Cut gemacht. Eine kleine Verbesserung, eventuell einige HD-Texturen dazu, fertig ist das Gesamtpaket. Entwickler Blue Point Games wird seinem nahezu göttlichen Ruf aber auch dieses Mal wieder perfekt gerecht und erreicht beim Shadow of the Colossus Remake ein vollkommen neues Niveau.


Anstatt das bereits bestehende Gesamtkonstrukt zu polieren, wurde die malerische Welt ebenso wie die Kolosse von Grund auf neu erschaffen, wodurch man sich über eine ungeahnte, grafische Wucht freuen darf, die selbst Kenner beeindruckt und bei der man nicht selten kurzzeitig innehält, um sich in Ruhe umzuschauen.


Eine direkte Gegenüberstellung lässt dabei ganz sicher jede Kinnlade gen Boden wandern. Allein die Kolosse freuen sich über eine gigantische (no pun intended) Zellenkur und präsentieren detailliert in Szene gesetzte Feinheiten, die wir zuvor nicht beobachten durften. Anmutig im Wind wallendes Fell und brüchige Steinrüstungen machen nun deutlich, dass wir es mit geradezu göttlichen Naturgewalten zu tun haben.


Feierabend hat Blue Point Games hier aber noch nicht gemacht! Denn auch die Spielwelt hat einen deftigen Neuanstrich verpasst bekommen und denunziert die verwaschenen Pixel-Landstriche der PS2-Urfassung somit fast schon zu einem schlechten Witz. Allein das Licht- und Schattenspiel wertet das Gesamtbild um ein Vielfaches auf und nutzt die Stärken der aktuellen Konsolengeneration gekonnt.


Mit butterweichen 60 FPS (wir dürfen jederzeit bestimmen, ob wir lieber höhere Auflösung oder stabilere Framerate bevorzugen) einfach durch die Szenerie zu reiten, die Sonnenstrahlen genießen und immer wieder über optische Feinheiten stolpern. Ein wundervoller Zeitvertreib, der dank den optischen Super-Tunings bei Shadow of the Colossus jetzt überhaupt erst möglich geworden ist.




Der Bann der Faszination


Minimalismus ist die größte Stärke und zugleich auch größte Schwäche von Shadow of the Colossus. Während das Suchen, Jagen und Erlegen der Kolosse sowie der Erkunden der zauberhaften Spielwelt definitiv ein atmosphärisches Highlight sind, sind sie gleichzeitig auch die einzigen spielerischen Aspekte.


Jedem schmecken wir das Abenteuer also definitiv nicht. Wer von abwechslungsreichen Super-Open-Worlds der Moderne verwöhnt ist, der wird sich beim eigentlich immer wiederholenden Ablauf schnell langweilen und Nebenquests, optionale Gameplay-Möglichkeiten oder andere zusätzliche Motivationen vermissen. Und wohl schnell die Lust verlieren.


Auf Shadow of the Colossus muss man sich einlassen können. Ja, versteckte Echsen zur Ausdauer- und Lebenserweiterung und ein zusätzlicher Time-Attack-Modus zum Erspielen brandneuer, mächtiger Ausrüstungen sorgt auch nach Beenden der auf knapp 10 Stunden angelegten Handlung für Motivation, lässt das bekannte Spielprinzip dabei aber gänzlich unberührt und frei von neuen Elementen.


Dennoch spürt man bei jeder Spielminute, jedem Winkel der Welt, dem Kolossos, jeder kurzen Szene die Liebe, Leidenschaft und Fürsorge, die seitens der Entwickler hineingeflossen ist. Und wenn man sich dann einmal in das Gesamtkonzept verliebt hat, dann kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.



Mitten ins Herz


Und ja, der Zahn der Zeit hatte definitiv an Shadow of the Colossus genagt. Allerdings haben Sony und Bluepoint Games perfekt erkannt, dass hierbei nur Optik und Steuerung getroffen wurden, während das eigentliche Fundament des Abenteuers noch Jahre nach der Erstveröffentlichung vortrefflich funktioniert.


Natürlich freuen wir uns, dass wir beim Erkunden wundervoller Landstriche und dem Erklimmen anschaulicher Riesen nun auch auf unseren 4K-Bildschirmen ein ansprechendes Erlebnis geboten bekommen und dabei gleichzeitig jederzeit das Gefühl der perfekt zuverlässigen Kontrolle vermittelt bekommen. Letztlich freuen wir uns allerdings primär darüber, Wander erneut über die Schulter schauen zu dürfen.


Dürfen wir die Kolosse wirklich für unser eigenes Wohlergehen umbringen? Was wird mit uns passieren? Werden wir noch wir selbst sein, wenn wir den letzten Riesen besiegt haben? Und werden wir dadurch tatsächlich unsere Weggefährten (ob sie nun Freundin, Schwester oder einfach nur entfernte Bekannte ist) zurück in die Welt der Lebenden holen können?


Und während wir knapp 10 Stunden den Kolosse gnadenlos ein Messer in die zahlreichen Schwächen jagen, bekommen zum Ende von Shadow of the Colossus wir einen Stich mitten ins Herz. Denn hier finden alle Themen ein emotionales Ende und lassen uns – zugegebenermaßen unter Tränen – unsere Taten der letzten paar Stunden sowie ihrer Konsequenzen Revue passieren. Und lassen uns schlussendlich mit einem finalen Gedanken zurück.


Shadow of the Colossus ist Perfektion im Videospielgewand. Und somit völlig verdient ein zeitloser Klassiker, den man auf jeden Fall erlebt haben muss.


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Fazit


Shadow of the Colossus ist ohne jede Frage eines der größten Meisterwerke der Videospielgeschichte, das sich selbst dem Zahn der Zeit problemlos entgegenstellen kann. Und das erstklassige Remake unterstreicht diese Tatsache auf eindrucksvolle Art und Weise.


Und während Technik sowie Steuerung auf den neusten Stand gebracht wurden – und Entwickler Blue Point Games dabei abermals nahezu perfekte Arbeit geleistet hat –, glänzt das grandiose Fundament aus atemberaubenden Momenten sowie einer ebenso minimalistischen wie auch emotionalen Handlung ohne jegliche Nachbesserungen.


Sony hat spürbar alle Register gezogen, um einen der wertvollsten Videospiel-Edelsteine aus dem eigenen Line-Up spielerisch meisterhaft und optisch opulent einer neuen Generation (und damit gleichzeitig auch der alten) zur Verfügung zu stellen. Und war dabei auf ganzer Linie erfolgreich.

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