Pokémon Schwert und Schild

Pokémon Schwert und Schild



Mit Schwert und Schild in Richtung Poké-Meister


Sich immer wieder neu zu erfinden, das ist eine der ganz großen Herausforderungen der Videospielwelt. Gerade für einen Entwickler.


Sich jedoch immer wieder neu zu erfinden und wichtige Entscheidungen zu treffen, während man eine seit vielen Jahren liebevoll aufgebaute, mittlerweile aber kritische Fangemeinde im Nacken hat, das dürfte wohl die Speerspitze der Entwickler-Herausforderungen sein.


Game Freak dürfte ein Lied davon singen können. Immerhin wurden Pokémon Schwert und Schild bereits lange vor Release heftig kritisiert, die Entwickler via Twitter sogar als Lügner tituliert. Die Kehrseite einer stetig wachsenden und lebenden Community.


Nun sind die beiden neusten Haupttitel der Pokémon-Reihe da, die Tore in die brandneue Galar-Region geöffnet. Ob die lautstarken Kritikrufe berechtigt waren? Ich tauche für euch ins Abenteuer ein und liefere euch die Antwort!


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Der altbekannte Poké-Pfad


Ein wichtiges Zitat zieht sich durch die Menschheits- und ja, auch die Gaming-Geschichte: „Die Definition ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“


Letztlich könnte eben dieses Zitat auch als hervorragendes Motto für das gesamte Pokémon-Franchise dienen. Wie viele Male habe ich bereits seit frühester Kindheit den (simpel betrachtet) gleichen Weg in Richtung bester Trainer aller Zeiten hinter mich gebracht, wie viele Stunden in das Fangen aller Pokémon investiert?


Pokémon Schwert und Schild reihen sich in die seit etlichen Jahren fortlaufende Dauerschleife ein. Erneut erkunden wir mit unserem virtuellen Ich (das Geschlecht ist erneut wählbar) eine brandneue Region, interagieren mit neuen Charakteren und stellen uns mächtigen Kontrahenten und Arenaleitern, um – wie sollte es auch anders sein – der beste Trainer aller Zeiten zu werden.


Es ist der Pfad, den ich schon so viele Male gelaufen bin und dessen wichtigste Zwischenstationen ich somit sehr gut kenne. Die Wahl des Starter-Pokémons. Das erste Duell gegen unseren Rivalen. Gefährliche Märsche durch das hohe Gras, mitsamt Schwächung und Fangen wilder Pokémon für unser Team. Da fühlt man sich fast wieder in das Jahr 1999 zurückversetzt.



Schöne neue Welt


Klingt alles altbekannt. Und das ist es in dieser ganz groben Zusammenfassung letztlich auch. Allerdings entpuppt sich die an Großbritannien angelehnte Galar-Region als unverzichtbares Element für ein erfrischend unterhaltsames Abenteuer, dem man die typische Struktur nur selten anmerkt.


Game Freak hat sich hier sichtbar viel Mühe gegeben und gefühlt jede noch so kleine Ecke mit ausreichend Abwechslungsreichtum und Detailverliebtheit gefüllt, um den geübten Handlungsverlauf zumindest optisch gehörig aufzupeppen und die beeindruckenden Highlights in dieser Rubrik zu verankern.


Es verwundert also nicht, dass mich die anmutige und mit verspielten Kleinigkeiten verfeinerte Kulisse beim Test stetig zum schnellen Aufnehmen eines schicken Screenshots animiert hat. Die zahlreichen Landschaften und Städte wirken farbenfroher, lebendiger und variantenreicher als jemals zuvor und lassen euch somit problemlos in die Pokémon-Reise eintauchen.


In puncto Inszenierung fühlen sich Schwert und Schild zudem nochmals anspruchsvoller und insgesamt unterhaltsamer als die zahlreichen Vorgänger an. Ausschweifenden Zwischensequenzen mit filmreifen Momenten solltet ihr zwar nicht erwarten, dafür aber herrlich animierte Momente, die definitiv für den einen oder anderen Lacher sorgen werden.



Hinter den Möglichkeiten


Überhaupt war mein Ersteindruck des Switch-Debüts ein sehr gelungener. Ob nun auf dem Fernseher oder im Handheldmodus, Schwert und Schild konnten sich sehen lassen und liefen abseits gelegentlicher Ruckler stets stabil ab.


Hervorragend, alles wie immer, mag man nun meinen. Leider scheint Game Freak für den notwendigen Pokémon-Feinschliff nicht ausreichend Zeit oder Motivation gehabt zu haben. So fallen ungewohnt lustlos umgesetzte Animationen (vor allem bei den Angriffen einiger Pokémon) sowie aufploppende Objekte und gar Stadtbewohner unschön auf und lassen das glatt polierte Erscheinungsbild früherer Ableger vermissen.


Einen Totalausfall brauchen langjährige Fans zwar nicht zu befürchten, sobald sich beim Erkunden der Naturzone dann aber noch heftige Ruckler ins Geschehen einmischen, kann man sich einer gewissen Enttäuschung einfach nicht entziehen. Technische Limitationen dürften hier immerhin nicht greifen, die Switch konnte bereits mit anderen, deutlich aufwändigeren Grafiken glänzen.


Auch die fehlende Sprachausgabe präsentiert sich aufgrund der deutlich aufgemotzten Präsentation nun als kleiner Dorn im Auge: Wenn man inmitten einer Arena lautstarkem Jubel und Feuerwerk lauschen darf, anschließende Dialoge allerdings stumm ausfallen, fühlt sich das schon merkwürdig an.


Immerhin darf man sich beim Soundtrack auf abwechslungsreiche Melodien freuen, die sich ebenfalls stark an der britischen Kultur anlehnen und der Pokémon-Welt mit Elektro-Songs eine neue musikalische Facette präsentiert. Für einige mag das Ganze zunächst gewöhnungsbedürftig klingen, wird aber schnell zum unverzichtbaren auditiven Begleiter plus Mitsumm-Garantie.



„Schnapp sie dir alle“ funktioniert immer noch


Über technische Defizite jeglicher Art werden Fans der ersten Stunde jedoch problemlos hinwegsehen. Wer kümmert sich schon um lupenreine Grafik, wenn es letztlich um eines geht: Pokémon!


Und hier liefert Schwert und Schild (zumindest beim Thema Neuzugänge) ordentlich ab. 81 brandneue Pokémon sowie 13 mit exklusivem Galar-Neuanstrich möchten von euch gefunden, bekämpft und gefangen werden. Hier ging Game Freak sichtbar motiviert ans Werk: Immerhin präsentiert sich jedes Pokémon als kleine kreative Meisterleistung, nie bekam ich das Gefühl, dass hier irgendein Design lieblos hingeklatscht wurde.


Schwert und Schild animiert und zudem, uns mit einigen Pokémon verstärkt auseinanderzusetzen, um ihre Entwicklung zu fördern. Beispielsweise müssen wir ein gefangenes Porenta in einem Kampf zu drei kritischen Treffern verhelfen, um den Sprung zum deutlich mächtigeren (und verboten coolen) Lauchzelot zu ermöglichen. Klug ist, wer da bereits ein Porenta mit ausgerüsteter Lauchstange fängt – immerhin erhöht diese die kritische Trefferrate.


Auch das neue Dynamax-Element sorgt für zusätzlichen Spielspaß, erfindet das Poké-Rad mit Blick auf die damaligen Mega-Entwicklungen allerdings auch nicht neu. Dank dieser Funktion dürfen wir unsere Mitstreiter für drei Runden in eine gigantische Variante ihrer selbst verwandeln und mit exklusiven Angriffen anschließend gehörig Chaos anrichten. Da allerdings auch eure Kontrahenten auf diese Kräfte-Boost zurückgreifen dürfen, solltet ihr stets wachsam sein.


Game Freak hat damit den handelsüblichen (und vielen Fans mittlerweile wahrscheinlich bereits im Schlaf bekannten) Pokémon-Umgang um einige Elemente erweitert und stellt somit selbst Veteranen vor neue, motivierende Herausforderungen. Hoffentlich finden die besonderen Voraussetzungen für erfolgreiche Entwicklungen ihren Weg in die sicheren Nachfolgertitel.



Schmerzhafter, aber erträglicher Verlust


Logischerweise erschließt sich daraus ein grandioser Motivationsfaktor, den man nicht abschütteln kann. Immer wieder lud mich die verführerische Switch zu einer zusätzlichen Stunde ein, um ein weiteres Teammitglied ausfindig zu machen und zu fangen. Immerhin ist es weiterhin mein Ziel, meinen Galar-Pokédex mit allen 400 Pokémon zu füllen.


Moment, 400? Gab es nicht schon über 800 Pokémon? Hier kommen wir zu einem Kernproblem von Schwert und Schild, das bereits Monate vor Release heftig kritisiert wurde. Um der enormen Fülle Herr zu werden, erschuf Game Freak kurzerhand den Galar-Pokédex und strich über 400 Pokémon aus der Liste und vermischte nur ausgewählte Kandidaten mit den Neuzugängen.


Und ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden: Für den knallharten Pokémon-Fan von heute wird das schon sehr schmerzhaft sein. Einige meiner Favoriten schafften den Sprung in die Galar-Region nämlich nicht, wurden somit also regelrecht aus dem kollektiven Poké-Gedächtnis gelöscht und durch Neuzugänge gnadenlos gesetzt.


Allerdings möchte ich nun auch mit aller Ehrlichkeit an die Fangemeinde appellieren: Lasst euch davon nicht die Freude an Schwert und Schild vermiesen. Sicherlich ist die Entscheidung umstritten und schmälert anfangs auch die Grundmotivation, ALLE Pokémon zu fangen, dennoch hat Game Freak sich ausreichend Mühe gegeben, das Fehlen der Favoriten mit neuen Elementen auszuhebeln und dennoch ein fantastisches Abenteuer zu liefern.


Einen Boykott vom Zaun zu brechen ist somit definitiv nicht der richtige Weg und im Angesicht der spielerischen Qualität von Schwert und Schild auch gar nicht berechtigt. Kundtun darf man seinen Unmut allerdings dennoch – immerhin hoffe auch ich, dass Game Freak sich in Zukunft neben der qualitativen auch wieder der quantitativen Ebene zuwendet.



Fangen in der freien Wildbahn


Game Freak kann mit Schwert und Schild trotz fehlender Pokédex-Kandidaten das altbekannte und geliebte Sammelgefühl der Vergangenheit wieder einfangen und bereits damit problemlos zum steten Weiterspielen motivieren. Zum Glück: Handlung und Schwierigkeitsgrad tun sich damit nämlich spürbar schwer.


Während der Plot im Finale deutlich an Fahrt aufnimmt, plätschert der Rest gemütlich vor sich hin und fühlt sich eher wie eine simple Füller-Episode an. Humorvolle Momente werden dank neuer Bekanntschaften und Pokémon zwar dennoch geschaffen, Tiefgang, Spannung oder gar nennenswerte Ereignisse sind aber leider nur rar gesät.


Gleiches lässt sich auch über wirkliche Herausforderungen sagen. Vor allem Pokémon-Veteranen sehen sich bis zur Zielgeraden nur selten mit einem fordernden Duell konfrontiert und können somit selbst einen Großteil der Arenaleiter mit der richtigen Team-Aufstellung problemlos in die Knie zwingen. Schade, immerhin fehlte vor allem den ersten Spielstunden dadurch der nötige Pepp, der erst mit Öffnung der Naturzone beigefügt wurde.


Perfekte Überleitung zum wahrscheinlich wichtigsten und zugleich besten Gameplayelement-Zuwachs bei Schwert und Schild. Ein riesiges Gebiet, in dem ihr euch und auch die Kamera frei bewegen und gegen allerlei wilde Pokémon antreten oder euer Team trainieren dürft. Ein dynamisches Wettersystem würfelt dabei noch die zu fangenden Pokémon durcheinander, eröffnet euch letztlich ein weites Sammelgebiet, in dem man sich ausgiebig austoben und spielerisch verbessern darf.


Klingt in der Theorie sehr simpel, entpuppt sich in der Praxis aber als hervorragender Spielspaß-Garant, der abseits des handelsüblichen Suchen-Fangen-Wiederholen-Ablaufs frischen Wind ins Abenteuer bringt. Immer wieder zog mich die Naturzone in ihren Bann, animierte mich zwecks Erreichens eines neuen Levels zum Training oder präsentierte mir die Fährte zu einem noch nicht gefangenen Pokémon.


Und selbst jetzt starre ich – einen Wetterwechsel erwarten – heimlich in Richtung Switch. Das ist eine Magie, die Schwert und Schild erstklassig einzusetzen wissen.



Die vielen Ablenkungen des Pokémon-Alltags


Wie bereits bei vielen Pokémon-Abenteuern zuvor, strahlen auch Schwert und Schild eine einzigartige Magie aus, der man sich kaum entziehen kann. Hat man sich erst auf den Weg gemacht und mit seinem Starter-Verbündeten die ersten Kämpfe erfolgreich bestrichen, ist man eigentlich bereits so gut wie verloren.


In jeder Stadt traf ich neue Leute, wollte alle Winkel nach versteckten Geheimnissen untersuchen, kochte köstliche Gerichte, levelte meine Pokémon tapfer auf, erreichte neue Entwicklungsstufen und durchforstete die Naturzone auf der Suche nach neuen, mächtigen Weggefährten.


Game Freak hat dafür gesorgt, dass mich Schwert und Schild trotz handlungstechnischer Schwächen mit dieser lebendigen und mit To-Dos gefüllten Spielwelt bei Laune halten, begeistern und zu einer langen Nacht nach der anderen animierten konnte. Das schaffen nur wenige Titel. Aber Pokémon schafft es gefühlt immer.


Und selbst nach Beenden der Haupthandlung landete die Testversion noch lange nicht in der Ecke – und das war nicht nur der Suche nach Fehlenden Pokémon zu verdanken. Vielmehr war es der Online-Modus, der mich (serientypisch) mit anderen Spielern kämpfen, tauschen oder auch kommunizieren ließ und bei der Zusammenstellung und Verbesserung meines Teams somit förderte. Besonders motivierend: Sich mit anderen Trainern zusammentun und gemeinsam ein bedrohliches Dynamax-Pokémon zu Fall zu bringen, um es anschließend wie Pokéball in die eigene Sammlung zu bringen.


Trotz aller (mit etwas mehr Feinschliff eindeutig vermeidbarer) Schwächen können Schwert und Schild also den altbekannten Charme der Pokémon-Reihe nicht nur einfangen, sondern ihn um einige prägnante Nuancen erweitern und damit nicht nur Veteranen, sondern auch Neueinsteigern ein ebenso amüsantes wie auch motivierendes Abenteuer garantierten. Selbst, wenn man dabei auch einige alte Poké-Bekannte verzichten muss.


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Fazit


Mit Schwert und Schild knüpft Game Freak gelungen an die mittlerweile unzähligen Vorgängertitel der Pokémon-Reihe an und kann das altbekannte Spielprinzip mit gekonnt implementierten, neuen Elementen ausreichend aufpeppen.


Mit ausreichend Kreativität erschaffene Galar-Pokémon, die vor Motivation und Spielspaß strotzende Naturzone sowie allerlei amüsante Nebenbeschäftigungen versehen das Abenteuer erneut mit einem unvergleichlichen Suchtfaktor und sorgen dank zahlreicher Mehrspielermöglichkeiten auch nach Abschluss der Haupthandlung für ausreichend Unterhaltung.


Leider scheint es Game Freak im Entwicklungsprozess stellenweise an Eifer und Feinschliffdrang gemangelt zu haben: Anders lassen sich technische Ungereimtheiten, teils lustlos umgesetzte Animationen, vernachlässigbare Haupthandlung und das Fehlen zahlreicher Ur-Pokémon nur schwerlich erklären und lassen die perfekte Top-Qualität älterer Titel vermissen.


Dennoch zeigt Schwert und Schild eindrucksvoll, weshalb das Pokémon-Franchise so viele Jahre nach Erstveröffentlichung noch beeindrucken und gnadenlos in seinen Bann ziehen kann. Trotz deutlicher Mängel kann man dem Switch-Abenteuer nämlich problemlos eine klare Kaufempfehlung aussprechen – und hoffen, dass eventuell die 400 fehlenden Pokémon noch ihren Weg in die Galar-Region finden.

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