Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise

Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise



Die bizarrste Versuchung seit es schlechte Videospiele gibt


Game of the Year kann jeder. Einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde, den musst du dir erstmal verdienen! Eine Errungenschaft, mit der sich Entwickler Hidetaka „SWERY“ Suehiro voller Stolz brüsten darf, gilt sein mittlerweile legendäres Deadly Premonition doch offiziell als polarisierendstes Survival-Horror-Game aller Zeiten.


Vollkommen zu Recht! Einer herrlich abgedrehten Mystery-Handlung mitsamt einzigartigem Protagonisten, grotesken Nebencharakteren und ausgefallenen Dialogen steht ein technisches sowie spielerisches Desaster gegenüber, dessen Versagensliste länger kaum ausfallen könnte. Kaum überraschend, dass Deadly Premonition bei solch einem Tumult mittlerweile Kultstatus erreichen konnte und noch bis heute in Gaming-Communities kritisch auseinandergenommen wird.


Ein Jahrzehnt später kann ich meinen Augen nicht trauen: Ich halte das lange herbeigesehnte Sequel Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise endlich in Händen, darf ein Wiedersehen mit FBI-Agent Francis York Morgan feiern, mich erneut durch ein qualitativ fragwürdiges Ermittlungsabenteuer kämpfen.


Doch kann die Fortsetzung dem kultigen Vorgänger tatsächlich das Wasser reichen? Oder stellt sich die riskante Gaming-Formel in Runde zwei nun als enttäuschendes One-Hit-Wonder heraus? Ich habe mich an diesen Fall herangewagt, um euch die Antwort zu liefern!


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Nostalgische Greenvale-Erinnerungen


Le Carré, Hauptschauplatz von Deadly Premonition 2, muss aber erstmal warten, zunächst möchte ich Greenvale den Vortritt geben. Immerhin erinnere ich mich bis heute gerne an meine Zeit in der Kleinstadt aus dem Vorgänger zurück.


Als loyaler Fan der allerersten Stunde möchte ich allerdings nicht verkaufen. 2010 konnte der Xbox-360-exklusive Release zwar meine Aufmerksamkeit erregen, schreckte mich mit grauenhaften Screenshots und Gameplayszenen jedoch direkt wieder ab, Francis York Morgan musste also auf meine Unterstützung verzichten und gnadenlosen Axtmörder alleine schnappen.


Erst 2013 sollte ich mich eher unfreiwillig als Hilfsermittler versuchen, irgendwer musste den überarbeiteten Director’s Cut für die Playstation 3 testen – so konnte ich halt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Niemals hätte ich ahnen können, dass meine anfängliche Skepsis bereits nach dem ersten Kapitel vollends verflogen sein sollte und ich mich aus dieser kreativen, verrückten, gleichzeitig aber qualitativ erschütternden Welt kaum befreien konnte.


Viele Jahre begleitete mich Deadly Premonition, wurde bei ausgiebigen Gaming-Diskussionen mit Freunden gerne mal zum Hauptthema, verschwand dann aber leider wieder langfristig im Schatten des Vergessen. Bis urplötzlich das Sequel mit dem schicken Zusatztitel A Blessing in Disguise exklusiv für die Nintendo Switch angekündigt wurde, schlagartig all die Erinnerungen an Francis York Morgan und seine Ermittlungen in Greenvale weckte und meine Vorfreude rasant auf das Maximallevel brachte.


Schon bald durfte ich mich endlich wieder auf eine unvergessliche Zusammenarbeit mit Francis York Morgan freuen, hoffentlich weiterhin ungewöhnliche Ereignisse in Le Carré in meine Gaming-Erinnerungen aufnehmen und die kommenden Jahre hoffen, dass ein weiteres Sequel erscheint. Danke, SWERY, danke!




Weitere Stufen auf der Treppe des Wahnsinns


Dabei suggeriert uns Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise zunächst einen unerwarteten Protagonistenwechsel, anstatt als York ungelöste Mordfälle zu klären, steuern wir FBI-Spezialagentin Aaliyah Davis, die durch einen Leichenfund zur Wiederaufnahme eines längst geschlossenen Falls animiert wird. Ihre Spur führt zum Ermittler, der sich für eben diese Investigation verantwortlich zeichnete und diese (zumindest temporär) für beendet erklärte: Francis York Morgan!


Vor 14 Jahren wollte dieser einen gemütlichen Urlaub im ruhigen Städtchen Le Carré verbringen, stolperte dabei jedoch über einen grauenhaften Mordfall, dessen brutale Tragweite bereits nach kurzer Zeit unerwartet explodieren sollte. Schnell erkennt York, dass er hier einem düsteren Geheimnis auf der Spur ist, das die Grundmanifeste des friedlichen Zusammenlebens grundlegend erschüttern und selbst etliche Jahre später noch für Furore sorgen sollte.


Deadly Premonition 2 ist sich alter Handlungsstärken bestens bewusst und spielt diese bewusst aus: Fans dürfen sich somit erneut über einen auf dem Papier simpel anmutenden Ermittlungsplot freuen, der mit grotesker Charakterriege, seltsamen Dialogen und unerklärlichen, dennoch erstklassig ins Gesamtbild passenden Story-Elementen in der Praxis kaum abgedrehter sein könnte.


Erfreulicherweise wirkt das erzählerische Chaos auch in der zweiten Runde nicht zwanghaft an den Haaren herbeigezogen, sondern scheint auf einer klaren, konsequent durchgezogenen Grundidee zu basieren, deren Puzzle-Teile zwar zunächst nur gewaltsam zusammengedrückt werden können, auf der Zielgeraden dann aber eben doch ein schlüssiges Motiv ergeben.


Als zusammenhaltender Sekundenkleber fungiert abermals FBI-Agent Francis York Morgan, der mit seinem einzigartigen Facettenreichtum weiterhin eine charakterliche Wundertüte darstellt und stets aufs Neue überrascht. Urplötzlich wechselt er von freundlichen Worten zum kurzen Gespräch mit seinem unsichtbaren Freund Zach über lautstark vorgetragener Gesellschaftskritik hin zu ausschweifenden Fakten zu klassischen Filmen – und bleibt dabei trotz einer teils unbehaglichen Eigentümlichkeit durchweg sympathisch!


Erfreulicherweise brauchen sich die zahlreichen Newcomer sich nicht hinter dieser starken Persönlichkeit verstecken. Vor allem Sheriff-Tochter Patricia wuchs mir mit ihrer verbalen Schlagfertigkeit und frechen Art direkt ans Herz, dementsprechend freute ich mich sehr, dass sie als Yorks treue Partnerin zu einer zentralen Figur der wendungsreichen Handlung wurde. Die Weichen wurden für mich somit früh in Richtung weiteres Kult-Highlight gestellt, ich konnte es kaum mehr erwarten, Le Carré endlich auf eigene Faust erkunden zu dürfen.



Schreckliches Framerate-Fiasko


Doch auf meine Freude folgte schnell Ernüchterung. Sah ich eine erhoffte, lange Zeit für ganz und gar unmöglich gehaltene Fortsetzung als große Chance, den technischen Horror des Vorgängers vergessen zu machen, verpasste mir Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise während meiner ersten Schritte durch Le Carré einen schmerzhaften Kinnhaken.


Tatsächlich keimte in mir zunächst Hoffnung auf. Mit dem neuen Cel-Shading-Look sahen die Charaktere immerhin deutlich schicker aus, auch die zahlreichen Schauplätze wirkten nun farbenfroher und detailreicher, Francis York Morgans zweiter Auftritt als FBI-Agent der ganz besonders eigentümlichen Art schien also definitiv einige optische Verbesserungsschritte gelaufen zu sein.


Direkt im Anschluss zeigte das Action-Adventure jedoch seine hässliche Fratze: Schreckliches Kantenflimmern, matschige bis kaum existente Texturen, teils unmenschlich wirkende Animationen und Clipping-Fehler en masse warfen in mir kurzzeitig starke Zweifel auf, ob ich hier tatsächlich einen exklusiven Switch-Titel oder doch eher den kläglichen Port eines drittklassigen Handy-Games vor Augen hatte. Erschreckenderweise handelte es sich hierbei erst um die Spitze des katastrophalen Eisbergs, wurden die zahlreichen Mängel immerhin von elendig langen Ladezeiten begleitet, die bei den Ermittlungen keine Seltenheit darstellten.


Von mehreren Kugeln getroffen verpasste mir Deadly Premonition 2 nun den verheerenden Technik-Todesschuss, verwandelte bisherige Schwächen zum schmerzhaften Vorspiel des grauenhaften Negativ-Höhepunkts. Startet ihr nämlich euren Erkundungszug durch die offene Spielwelt, geht die Framerate prompt in die Knie, verweilt sogar gerne im einstelligen Bereich, wodurch einer entsetzlichen Ruckelorgie alle Tore geöffnet werden.


Zum Glück ging ich mit den richtigen Erwartungen an den Titel, konnte mich dadurch zähneknirschend an die schlimme Bildrate gewöhnen, mich jedoch nie wirklich mit ihr anfreunden. Wer auf der Switch also nur AAA-Highlights genießen möchte oder zumindest auf ein optisch akzeptables Erlebnis besteht, der sollte den Bus in Richtung Le Carré lieber direkt verlassen und erst nach einem hoffentlich bald folgenden Patch mit einem Kurztrip liebäugeln.



Sklave der langsamen Uhr


Schade, präsentiert sich Deadly Premonition 2 hinter diesem Grafik-Fiasko doch ein keinesfalls perfektes, letztendlich aber dennoch unterhaltsames Action-Adventure, das dem Grundkonzept des Erstlings folgt, an einigen Gameplay-Schrauben aber dringend notwendige Nachjustierungen vornimmt.


Neuzugang Aaliyah Davis spielt dabei eher die zweite Geige, dienen ihre Passagen doch eher als kurze Erholungsphasen und konzentrieren sich hauptsächlich auf ein spielerisch geradliniges Verhör. Der eigentliche Star ist und bleibt Agent Francis York Morgan, den ich erneut durch eine offene Kleinstadt bewegen und verschiedene Örtlichkeiten, darunter beispielsweise ein Restaurant, ein Kühlhaus, eine Kirche oder die Polizeistation, ansteuern darf, um hier neue Befragungen durchzuführen oder Hinweise zu finden und der Wahrheit hinter dem grausamen Mordfall in Le Carré so nach und nach auf die Spur komme.


Wie schon beim Vorgänger hangle ich mich also von einer Hauptaufgabe zur nächsten und profitiere dabei vom nun insgesamt kleineren sowie dichter bebauten Stadtgebiet. Vorbei sind die Zeiten langgezogener Fahrtwege, nun trennen mich zwischen Punkt A und B maximal wenige Minuten, die ich dank des jederzeit griffbereiten Skateboards schneller denn je erreichen kann.


Einziger Wermutstropfen: Zuverlässige Kontrolle bleibt weiterhin ein Wunschgedanke, auch auf dem Brett gestaltet sich die Fortbewegung als höllisch wackelige Angelegenheit – auch ohne konstante Framerate-Einbrüche! Zum Glück lässt SWERY Gnade walten und wirft noch ein Schnellreise-System hinterher, das uns für einige virtuelle Dollar direkt ans Ziel bringt.


Beim Thema Zeitmanagement übertreibt es der begnadete Videospielentwickler dann aber mit seiner Gutmütigkeit. Denn auch Deadly Premonition 2 simuliert einen handelsüblichen Tagesablauf, womit gezielte Planung ein wichtiger Schlüssel zum Aufschließen der Effizienz-Tür darstellt. Oftmals müssen wir auf die Öffnungszeiten unseres nächsten Zielorts achten oder einen auf der Karte markierten Ort im vorgegebenen Zeitfenster besuchen. Wer sich hier nicht rechtzeitig um lebenswichtige To-Dos kümmert (Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Anzugsreinigung), kann sich gerne mal verzetteln.


Klingt vielversprechend und fordernd. Das Problem: Leider verkommt dieses Element rasant zu einer der vielen spielerischen Achilles-Fersen von A Blessing in Disguise. Der Grund? Das schnarchige Schneckentempo der Ingame-Uhr, das einer zielgerichteten Ermittlung oftmals einen unliebsamen Strich durch die Rechnung macht und zum anderweitigen Erkunden von Le Carré animieren will. Ein netter Gedanke, der mir aber nicht immer schmeckte und mich so unfreiwillig zur Geisel des elendig langsamen Countdowns machte.


Zwar kann man diese Wartezeiten optional auch mit einer Mütze Schlaf im Hotel oder einige Zigarettenzügen beschleunigen, muss dabei aber stellenweise nicht nur Stunden, sondern gleich mehrere Tage überbrücken. Dadurch entstehen ereignisarme Leerlauf-Momente, die vor allem in den ersten Spielstunden unentwegt an meiner Motivation genagt haben und von (sich leider viel zu oft wiederholenden) Monologe zwischen York und Zach nur geringfügig aufgefangen werden konnten.



Köstlicher Kaffee mit bitterem Nachgeschmack


Solltet ihr die verfügbare Freizeit dann doch lieber möglichst effektiv verbringen und auf einen rauchigen Lungenkiller verzichten wollen, stellt euch Deadly Premonition 2 etliche Nebenbeschäftigungen und -aufgaben zur Verfügung, die abseits der Mordermittlungen für Unterhaltung sorgen sollen, aber leider allesamt mit einige Schwächen behaftet sind.


So dürfen wir beispielsweise auf Flussfahrten unsere Schießkünste unter Beweis stellen, beim Bowling einige Pins umwerfen, mit unserem Skateboard einige schicke Moves zur Schau stellen oder beim Steinewerfen Rekorde brechen. Gute Leistungen werden mit hilfreichen Gegenständen belohnt, wodurch die Highscore-Jagd doppelt motivierend ausfällt. Dennoch verkommen die Mini-Games schnell zu einem marginalen Gameplay-Snack, der kurzzeitig zufriedenstellt, aufgrund eines rudimentären und recht oberflächlichen Aufbaus dauerhaft aber kaum sättigen und bei Laune halten kann.


Das Upgrade-System fällt hier schon ausgefeilter aus. In der Umgebung verstreute Objekte können wir gesammelt zum örtlichen Voodoo-Shop bringen und in mächtige Talismane und Amulette umfunktionieren. Platzieren wir diese auf unserem persönlichen Grusel-Altar, freuen wir uns über aufgemotzte Skateboard- und Waffen-Skills sowie verbesserte Charakter-Attribute. Leider verpasst es A Blessing in Disguise, dieses Element mit einer wirklichen Daseinsberechtigung zu versehen, konnte ich den Abspann immerhin auch ohne ausschweifende Aufrüstungsarbeit spielend leicht erreichen.


Ähnlich enttäuschend fallen die vielen Nebenmissionen aus, die mit innovationsarmen Aufgabenstellungen nicht nur langweilig, sondern aufgrund fehlender Zielmarkierungen unnötig kompliziert ausfallen. Mit „Kille X Gegner“, „Finde Gegenstand Y“ oder „Repariere durch das Anklicken verschiedener Rohre deine Dusche“ hätten ich ja noch leben können. Muss ich diese allerdings ohne jegliche Hilfestellung die komplette Spielwelt nach dem gesuchten Feind oder Objekt blind auf den Kopf stellen, wende ich mich dann doch lieber gleich der Haupthandlung zu.


Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise präsentiert uns stolz eine lange Liste netter Einfälle, die liebevoll aufgeschrieben, aber leider nur halbherzig umgesetzt worden. So wissen all diese Elemente zwar zu gefallen, können ihr volles Potenzial jedoch zu keinem Zeitpunkt entfalten, wodurch man sich unterm Strich mit einem höchstens soliden Spielerlebnis zufriedengeben muss, das mit etwas mehr Feinschliff und entwicklungstechnischer Konsequenz den Vorgänger problemlos in den Schatten hätte stellen können.



Auf der Suche nach der Herausforderung


SWERY und Entwicklerstudio Toybox haben sich spürbar viel Mühe gegeben, die Grundpfeiler des ersten Teils zu stabilisieren und diese anschließend als Unterbau für den ambitionierten Nachfolger zu nutzen, dabei aber die maximale Traglast aus den Augen verloren. Wohl implementierte Einfälle verkommen dadurch zum simplen Grundgedanken, werden doch schnell die damit in Verbindung stehenden Schwächen sichtbar. Eine Problematik, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Action-Adventure zieht.


Als bestes Beispiel fungieren die zahlreichen Schussgefechte. Immerhin müsst ihr euch nicht nur gegen freche Eichhörnchen, bissige Alligatoren und wilde Hunde (Tierfreunde müssen hier stark sein) behaupten, bei nächtlichen Spaziergängen und Besuchen in der düsteren Anderswelt wollen euch auch unheimliche Horrorkreaturen ans Leder.


Und tatsächlich hat Deadly Premonition 2 aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, alte Schwächen konsequent aus der Welt geschafft. Das Anvisieren steuert sich bedeutend zuverlässiger und dynamischer, Feinde gehen schneller in die Knie und mit ausrüstbaren Statuseffekten kann man sogar seine eigene Vorgehensweise geringfügig anpassen.


Sicherlich erlebt man beim Kampf gegen dämonische Kreaturen keine Gameplay-Wunder, zahlreiche Genre-Vertreter würden über dieses grundlegende Basis-Programm nur müde lachen, dennoch bereitete mir das Dezimieren der Monsterschar viel Freude und ließ die drögen Ballereinlagen des Vorgängers gänzlich vermissen. Zumindest bis ich den ersten Anderswelt-Abschnitt erfolgreich abgeschlossen hatte.


Leider kommen auch diese Optimierungen rasant von der Verbesserungsfahrbahn ab und eröffnen eine völlig neue Schwäche, mit der sich Francis York Morgan zuvor nicht herumschlagen musste: einem unglaublich niedrigen Schwierigkeitsgrad. Selbst ohne Upgrade-Wahn schickt ihr Gegner mit einem gut platzierten Schuss ins Jenseits, selbst Bosse stellen keine wirkliche Bedrohung dar, sofern ihr gelegentlich einige Ausweichmanöver in euren Kugelhagel einbaut.


Kein Wunder also, dass ich das Ermittlungsende ohne Bildschirmtode erreichen konnte, selbst beim Finale kaum in Bedrängnis kam. Eine herbe Enttäuschung, schließlich hatte man das eigentliche Gunplay nun in den Griff bekommen. Somit bleibt nur noch die Hoffnung, dass ein eventueller Patch nicht nur das Framerate-Chaos aus Le Carré schafft, sondern gleichzeitig noch einen fordernden Schwierigkeitsgrad ins Rennen wirft.




Unverwüstliche Anziehungskraft


Mit jedem vielversprechenden, durch gravierende Schwächen aber direkt gegen die Wand gefahrenen Gameplay-Element verwandelte sich Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise für mich mehr und mehr in eine Aneinanderreihung frustrierender Fehlschläge, zerschlug dabei sogar nach und nach meine Hoffnungen auf eine grandiose Fortsetzung mit Geheimtipp-Qualitäten.


Zu meiner Verwunderung wollte ich die Switch zu keinem Zeitpunkt weglegen. Das elendige Zeitmanagement warf mich zu Boden, die grauenhafte Framerate verpasste mir kräftige Magentritte, das ideenlose Missionsdesign zudem noch eine nachhallende Kopfnuss – und dennoch hatte mich Francis York Morgan mit seiner hypnotischen Art wieder zum stillen Partner gemacht, mich per gedanklicher Handschelle an die knapp 25-stündigen Ermittlung (mitsamt einiger Nebenaufgaben und Minispielrunden) fesseln.


Gemeinsam mit unvergesslichen Konversationen, bizarren Kleinstadtbewohnern und teils abstrusen Zwischensequenzen kreiert der exzentrische FBI-Agent einen regelrechten Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. Wohin wird die Gegenwartshandlung führen? Wer ist der Täter? Hat der Concierge/Hotelpage/Chefkoch noch weitere Identitäten? Und hängt York eventuell tatsächlich seine Karriere an den Nagel und versucht sich als semiprofessioneller Skatebordfahrer? Auf der Suche nach Antworten kämpfte ich mich tapfer und hochmotiviert durch den Schwächen-Dschungel und konnte diesen zwar nie gänzlich ignorieren, aber zumindest akzeptieren.


Den verqueren Erstling kann SWERY mit A Blessing in Disguise allerdings nicht übertrumpfen. Zwar ging dieser ebenfalls nicht als Qualitätsperle in die Videospielgeschichte ein, profitierte jedoch von einem dilettantischen Charme, den man auf den Straßen Le Carrés vergeblich sucht – ein Umstand, der hauptsächlich dem indiskutablen Grafikhorror und ideenlosem Drumherum geschuldet ist.


Vor allem Fans werden mit dem Sequel viel Freude haben, war es immerhin lange Zeit keine Selbstverständlichkeit, dass man York jemals wieder über den Weg laufen, ihm erneut bei umfangreichen Ermittlungen tatkräftig unter die Arme greifen dürfen. Dann wurden die großen Fußstapfen eben nicht gefüllt, dann muss man eben einige Ladezeiten in Kauf nehmen, da darf man sich über einen niedrigen Schwierigkeitsgrad nicht beschweren.


York und Zach sind wieder zurück – verrückt, schlagfertig und filmbegeistert wie eh und je! Und eben damit könnte ich kaum glücklicher sein.


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Fazit


Verrückt, verrückter, Hidetaka „SWERY“ Suehiro! Auch mit Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise beugt sich der namhafte Entwickler keinerlei Mainstream-, Genre- oder gar Videospielkonventionen, präsentiert die Fortsetzung also erneut stolz als herrlich abgedrehtes und oftmals gnadenlos skurriles Action-Adventure, das geradewegs den vom Vorgänger geebneten Pfad beschreitet und damit problemlos im Gedächtnis bleibt.


Willkommene Verbesserungen reichen jedoch nicht, den grausamen, aber dennoch legendären Erstling abzuhängen. Lahme Haupt- und Nebenaufgaben, lächerlich einfache Schussgefechte, erschreckend lange Ladezeiten und ein vollkommen verkorkstes, grafisches Gesamtbild direkt aus der Technik-Hölle verwandeln unsere Ermittlungen in Le Carré in einen regelrechten Höllentrip, bei dem das Nervenkostüm im Minutentakt malträtiert wird.


Und doch fesselte mich Deadly Premonition 2 mit einer einzigartigen Kleinstadt, merkwürdig-faszinierenden Charakteren, teils absurden Dialogen und einem abermals wundervoll sympathischen und facettenreichen Francis York Morgan (inklusive herrlicher Gespräche mit Kollege Zach und fantastischer Filmfakten) förmlich an die Switch, animierte mich zu einer schlaflosen Gaming-Session nach der anderen. Da konnte ich sogar problemlos das scharfe Messer in Form spielerischer und technischer Unzulänglichkeiten ignorieren, das während der ersten Spielstunde heftig zwischen meine Rippen gerammt wurde.


A Blessing in Disguise folgt geradewegs dem Vorgänger, streicht eine potenzielle Zielgruppenerweiterung von der Agenda und umarmt lieber das „So schlecht, dass es wieder gut ist“-Motto inbrünstig, wird für SWERY-Fans aber eben dadurch automatisch zu einem Pflichtkauf – da darf auf die Endwertung prinzipiell gepfiffen werden.


Oder was meinst du, Zach? … … … Ja, da stimme ich dir zu!

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