New Pokémon Snap

New Pokémon Snap



Nostalgische Fotosafari mit altbekannter Problematik


Kamera zücken, ein schickes Foto von einem Pokémon schießen und glücklich sein – ein simples Konzept, mit dem Pokémon Snap vor über 20 Jahren vollends beeindrucken konnte, aufgrund eines ausbleibenden Nachfolgers allerdings vergebens auf die Chance zur spielerischen Weiterentwicklung wartete.


Nun haben Nintendo und die Bandai Namco Studios aber endlich ein Erbarmen mit den fotowütigen Fans und folgen mit New Pokémon Snap einer uralten Fortsetzungsregel: Mehr Level, mehr Pokémon, mehr Umfang.


Doch ob tatsächlich nur eine inhaltliche Erweiterung im Fokus stand oder auch das einfache Spielprinzip durch sinnvolle Neuerungen variantenreicher gestaltet wurde, verrate ich euch heute im Test – und sage euch gleichzeitig, ob der unvergleichliche Charme des Originals eingefangen werden konnte.


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Ein Kind der ersten Generation


Noch heute erinnere ich mich gerne an den gnadenlosen Pokémon-Hype meiner Jugend zurück. Kein Wunder, immerhin durfte ich die Ankunft der niedlichen Knuddelmonster in Deutschland am eigenen Leib miterleben, war stolzes Anfangsmitglied der Generation Schnapp sie dir alle.


Auf dem Pausenhof wurde jede neue Anime-Folge, jedes im aktuellen Videospiel entdeckte Geheimnis diskutiert, via Link-Kabel erbitterte Duelle ausgefochten, lautstark der bis zum heutigen Tag mit einer eindrucksvollen Ohrwurm-Garantie behafteten Titelsong geträllert. Wir waren im Pokémon-Fieber, das dank einer beachtlichen Flut an Neuveröffentlichungen erst nach vielen Jahren abklingen, sich bei einigen Anhänger sogar als lebenslange Passion manifestieren sollte.


Allerdings stach aus dieser Menge unterhaltsamer Videospielabenteuer ein Titel heraus, weckte dieser in uns doch einen ganz besonderen Forschungsdrang und sorgte somit für ausreichend Gesprächsstoff: Das im September 2000 in Deutschland für den Nintendo 64 erschienene Pokémon Snap.


Durch unterschiedliche Gebiete reisen, Glumanda, Pikachu und sogar Mew in ihrem natürlichen Habitat beobachten und mit einer Kamera bewaffnet schicke Schnappschüsse machen? Ein wahrer Traum, der uns dank versteckter Geheimnisse und Pokémon eine gefühlte Ewigkeit an die Konsole fesselte und logischerweise den Wunsch nach einer Fortsetzung weckte. Ein Wunsch, der mit New Pokémon Snap erst über zwei Jahrzehnte später erfüllt werden sollte.



Unveränderte Fotofreuden


Obwohl diese innige Begeisterung bei mir mittlerweile abgeklungen ist, ich bei der enormen Vielzahl neuer Pokémon zugegebenermaßen sogar vollkommen den Überblick verloren habe, kitzelte es mich bei der Ankündigung des Sequels direkt in meinen Fingerspitzen, erwartete mich doch hier definitiv ein herrlich nostalgischer Trip in meine Jugend.


Erfreulicherweise fühlte ich mich bei New Pokémon Snap direkt heimisch, immerhin wollten weder Nintendo noch das Entwicklerteam der Bandai Namco Studios das Gameplay-Rad neu erfinden, sondern entschieden sich bei der Fortsetzung für eine direkte Übernahme des Grundkonzepts.


Dementsprechend tuckere ich auch dieses Mal in meinem futuristischen, auf den Namen Neo-One getauften Gefährt durch unterschiedliche Schauplätze der brandneuen Lentil-Region und nehme die facettenreichen Kreaturen ins Kameravisier. Hierbei bewege ich mich stets vollkommen automatisiert über die Strecke, kann mich beim Abfahren der festgelegten Schienenbahn also vollends auf meine Fotokunst konzentrieren.


Anfangs steht mir zwar nur der treue Fotoapparat zur Verfügung, im weiteren Spielverlauf darf ich dann aber auch auf Äpfel, einen technologisch fortgeschrittenen Scanner oder eine jederzeit abspielbare Melodie zurückgreifen, um verborgenen Pokémon auf die Schliche zu kommen, sie gezielt aus ihren Verstecken zu locken oder humorvolle Reaktionen aus ihnen herauszukitzeln. Alles für das perfekte Motiv!



Motivierende Punktejagd als Schutz vor Langeweile


Nun klingt das ganze Spielprinzip natürlich enorm simpel, scheint rasant eintretende Repetition regelrecht heraufzubeschwören. Tatsächlich hat New Pokémon Snapoberflächlich betrachtet auch gar nicht viel mehr zu bieten: Wähle eine Strecke, schieße ein paar Fotos, wiederhole diesen Prozess. Ein spielerischer Kreislauf, der zu keinem Zeitpunkt nennenswert aufgebrochen, höchstens durch gelegentliche Sondermotive geringfügig aufgelockert wird.


Auch die Haupthandlung arbeitet eher auf Sparflamme und fungiert dadurch vielmehr als zweckmäßiges Instrument, um die Safarifahrten mit einem roten Faden zu verknüpfen. Als angehender Pokémon-Fotograf bereise ich im Auftrag vom Professor Mirror die verschiedenen Inseln der Lentil-Region, um dessen Forschung mit Schnappschüssen der dort angesiedelten Poké-Bevölkerung voranzutreiben – und gleichzeitig mehr über das geheimnisvolle Lumina-Phänomen, ein seltsames Leuchten bei Pflanzen und Pokémon, zu erfahren.


Scheinbar waren sich auch die Bandai Namco Studios der drohenden Langeweile bewusst und spendierten New Pokémon Snap ein zusätzliches Element, das der gameplaytechnischen Monotonie zwar keine Abwechslung, dafür aber eine ordentliche Schippe Motivation verpasst. Sobald ich das Levelende erreicht oder alle 72 Bilder meines Speichers verschossen habe, erwartet mich nämlich bereits Professor Mirror, um meine potenziellen Meisterwerke kritisch unter die Lupe zu nehmen.


Dabei lernte ich frühzeitig eine wichtige Lektion: Blind in der Gegend herumzuknipsen reicht noch lange nicht, um sich als Meisterfotograf bezeichnen zu dürfen, gilt es vor Betätigen des Auslösers doch nämlich zahlreiche Faktoren zu bedenken, die für die schlussendliche Bildqualität unerlässlich sind. Habe ich mich dem Pokémon via Zoom ausreichend genährt? Ist es schön mittig platziert? Und schaut es auch wirklich brav in die Kamera?


Folge ich diesen Regeln tüchtig, freue ich mich nicht nur über hübsche Fotos, sondern erhalte vom Professor zudem eine erfreulich hohe Punktewertung, deren Zusammensetzung mir anschaulich präsentiert wird. Dadurch kann ich eventuelle Schwachstellen ausmachen und auf der Jagd nach Perfektion direkt einen zweiten Versuch starten. Stellenweise kein einfaches Unterfangen, stellen das Abpassen all dieser Aspekte sowie das Erwischen des richtigen Zeitpunkts doch eine kleine Herausforderung dar, erfordern oftmals sogar das mehrmalige Erkunden einer Strecke.



Fotografische Perfektion


Eine schlichte Highscore-Jagd als Rettungsanker vor gähnender Tristesse? Nicht ganz, mündet die verdiente Gesamtpunktzahl doch noch in einer weiteren Stärke von New Pokémon Snap, die zugleich das wahre Highlight darstellt.


Habe ich in einem Gebiet ausreichend Punkte gesammelt, werde ich mit dem Anstieg des jeweiligen Forschungslevels belohnt und werde dadurch nicht nur Zeuge völlig neuer Verhaltensweisen der dort angesiedelten Pokémon, sondern darf gelegentlich sogar neue Streckenabschnitte erkunden, finde somit also ausreichend neues Futter für meine Kamera. Besonders cool: Jedes Level darf ich optional auch nachts besuchen, freue mich also noch mehr Kamerafutter, darf sogar das Lumina-Phänomen ablichten (no pun intended).


Während sich New Pokémon Snap spielerisch abseits kleinerer Anpassungen also auf Augenhöhe mit dem Vorgänger befindet, wird der Umfang dank zahlreicher Schauplätze und über 200 Pokémon (da ich euch die Vorfreude nicht verderben will, spare ich mir ein spoilern der genauen Anzahl) auf ein völlig neues Niveau katapultiert. Selbst nach etlichen Spielstunden stolperte ich regelmäßig über neue Geheimnisse, lockte neue Fotomotive durch das Ausprobieren ausgeklügelter Taktiken vor meine Linse und bekam dadurch kontinuierlich einen heftigen Motivationsschub verpasst, der mich das oberflächliche Gameplay vergessen ließ.


Dieser Umstand ist allerdings auch dem Fotodex zu verdanken, in dem ich meine beeindruckenden Begegnungen mit den Pokémon festhalten und mir somit ein digitales Erinnerungsalbum zusammenstellen darf. Dabei wird jedes Foto je nach abgelichteter Verhaltensweise mit ein bis vier Sternen bewertet. So bringt mir die langweilige Aufnahme eines in der Gegend herumstehenden Bidizas beispielsweise nur die niedrigste Wertung ein. Schaut das Biber-Pokémon (nach einem platzierten Apfelwurf) jedoch verwirrt aus seinem Damm, kann ich mit einem schicken Schnappschuss locker den Sterne-Jackpot knacken.


Wie bereits beim Pokédex wurde mein Sammelwahn direkt geweckt, nun wollte ich jede einzelne Seite mit glanzvollen Abzügen bestücken, selbst legendäre Pokémon in meine Enzyklopädie aufnehmen. Das Problem: Mit dem ersten Aufeinandertreffen ist es nur selten getan, gilt der Eintrag doch erst mit jeweils einem Foto der gesamten Sternenskala als vollendet. Und da ich pro Pokémon nach jeder abgeschlossenen Tour nur ein Bild aussuchen und einkleben darf, werden aufmerksame Wiederholungsfahrten zum wahren Pflichtprogramm.



Entfessle deine kreative Seite!


Überhaupt finde ich abseits des abwechslungsarmen Spielprinzips ausreichend Möglichkeiten, mich gehörig auszutoben, drohender Langeweile somit keinerlei Chance zu geben und stets freudig die nächste Tour zu starten. Vor allem die kleineren Nebenaufträge lösen hier einen ordentlichen Domino-Effekt aus, der in vielerlei Hinsicht den Hobby-Fotografen in mir weckt.


Letztlich handelt es sich bei den optionalen Aufgaben um spezielle Sondermotive, die es zu entdecken und erfolgreich abzuknipsen gilt. Klingt simpel, animiert mich jedoch hervorragend zum ausführlichen Erkunden bereits bekannter Landstriche – immerhin bekomme ich indirekt Hinweise, in welchen Ecken ich meine Augen eventuell besonders weit aufsperren sollte.


Das erfolgreiche Erfüllen dieser Aufträge (oder das tüchtige Auffüllen des Fotodex) wird nicht nur mit freundlichen Worten, sondern auch mit Stickern, Rahmen und anderen schicken Modifikationen für unsere Bilder belohnt. Kreative Künstler kommen hier vollends auf ihre Kosten, darf man zuvor simplen Aufnahmen dadurch doch nicht nur mehr Farbe, sondern auch eine ordentliche Portion Humor verleihen.


An dieser Stelle schafft es New Pokémon Snap dann auch, eine durch das repetitive Gameplay unvermeidbare Oberflächlichkeit aufzubrechen und mich noch intensiver mit meinen Werken zu beschäftigen. Zusätzlich zur vergnüglichen Sticker-Party darf ich nämlich auch Licht, Kontrast oder Schärfe anpassen, sogar unterschiedliche Filter anwenden und meiner Arbeit somit den ultimativen Feinschliff verpassen.


Zwar mag man solch einen Foto-Modus als vernachlässigbare Spielerei abstempeln, wer sich allerdings bereits durch das gradlinige Spielprinzip angesprochen fühlt, wird die umfangreich ausgefallene nachträgliche Bearbeitung allerdings sicherlich begrüßen – und etliche Spielstunden hierauf verwenden.



Idyllischer Foto-Trip für die Fans


Eine gewisse Monotonie kann New Pokémon Snap kaum abschütteln, ist diese doch fest mit dem recht überschaubaren Spielprinzip verknüpft. Allerdings haben sich die Bandai Namco Studios spürbar viel Mühe gegeben, diese Schwachstelle mit zahlreichen Strecken, Pokémon und Nebenbeschäftigungen in den Hintergrund zu verfrachten, das Rampenlicht somit zielsicher auf die maßgeblichen Unterhaltungs- und Motivationsfaktoren gerichtet.


Leider scheint das Entwicklerteam diese Bemühungen bei der visuellen Komponente eher reduziert zu haben, siedelt sich die Foto-Safari optisch doch eher im oberen technischen Mittelfeld der Nintendo Switch ein, kann das volle Hardware-Potenzial also kaum entfesseln. Keine Sorge, hübsch inszenierte Schauplätze sowie erstklassig animierte Pokémon vermeiden einen enttäuschenden Totalausfall, dennoch fehlte mir während des Tests ein gewisser Wow-Faktor, ein anschauliches Highlight – eine Kritik, die sich auch der passende, aber leider von prägnanten Höhepunkten befreite Soundtrack gefallen lassen muss.


Fans des Vorgängers dürfte das dennoch solide Gesamtbild als bequemes Kissen dienen, um sich entspannt fallen und die Seele baumeln zu lassen, sich in der Inselvielfalt der Lentil-Region zu verlieren beim Knipsen der wilden Pokémon nicht nur an die eigene Gamer-Vergangenheit, sondern auch an den unvergleichlichen Sammelwahn des Franchises erinnert zu werden. Sollte diese emotionale Verknüpfung nicht vorhanden sein, entpuppt sich New Pokémon Snap höchstwahrscheinlich rasant als äußerst kurzweiliges Vergnügen, immerhin werden Serien-Neueinsteiger von der spielerischen Simplizität fast schon vor den Kopf gestoßen, werden vom Gameplay allein kaum gefesselt.


Allerdings macht die zweite Runde der Foto-Safari kein Geheimnis daraus, richtet sich mit einer klaren Kommunikation des gradlinigen Ablaufs direkt an die gewünschte Zielgruppe und kann diese trotz einer gewisser Abwechslungsarmut durchweg begeistern. Denn weshalb sollte der treue Pokémon-Anhänger von heute auch revolutionäre Innovationen, wenn die Snap-Reihe bereits mit einem Äpfel wegfutternden Pikachu, einer tanzenden Blubella-Gruppe oder einer fast schon herzzerreißenden Begegnung zwischen einem pfeilschnellen Tauboss und einem hilflosen Karpador unglaubliche Freude bereitet?


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Fazit


New Pokémon Snap lädt jahrelange Franchise-Fans zu einem herrlich-nostalgischen Trip in die Kindheit ein und präsentiert mit einer spielerisch simplen, aber dennoch unglaublich unterhaltsamen Foto-Safari ein harmonisches Abenteuer, das etliche Stunden feinster Unterhaltung garantiert.


Unterschiedliche Strecken abzufahren und dabei künstlerisch hochwertige Schnappschüsse von über 200 Pokémon anzufertigen weckte früh den Hobby-Fotografen in mir und fesselte mich dank zahlreicher Nebenaufträge, versteckter Geheimnisse und freischaltbarer Modifikationsmöglichkeiten für meine Kunstwerke regelrecht an die Nintendo Switch – und ließ mich die abseits schick animierter Pokémon insgesamt leider nur akzeptable optische Präsentation dadurch gekonnt vergessen.


Die gesamte Fangemeinde oder gar Serien-Neueinsteiger wird New Pokémon Snap sicherlich nicht abholen, hierzu fällt das generelle Spielprinzip zu oberflächlich, durch die automatisierte Streckenfahrt gelegentlich sogar fast schon anspruchslos aus. Wer allerdings bereits den Vorgänger vergötterte und endlich mal wieder einen gepflegten Sammelwahn vertragen kann, kommt an dieser farbenfrohen Foto-Session kaum vorbei – denn enormes Suchtpotenzial ist hier vorprogrammiert!

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