Resident Evil Village

Resident Evil Village

Willkommen im Dorf der Werwölfe und Vampire!


Es hätte ein herber Rückschlag, fast schon ein vernichtender Genickbruch für die legendäre Survival-Horror-Reihe sein können. Stattdessen machte der von Capcom mit Resident Evil 7: Biohazard vollzogene Stilbruch die konsequente Serien-Revitalisierung zum unter Fans und Kritikern gleichermaßen gefeierten Erfolg, schlug also ein neues Kapitel in der noch lange nicht am Ende angekommenen Historie auf.


Mit Resident Evil Village soll der eingeschlagene Kurs beigehalten werden, im Vorgänger etablierte Elemente inmitten eines brandneuen Settings weiterentwickelt, vielleicht sogar perfektioniert und um eine Action-Komponente erweitert werden. Moment... Action? Kann das nach einem herrlich düsteren Horror-Highlight tatsächlich funktionieren?


Um dieser Frage auf den Grund zu gehen und euch die Antwort zu liefern, habe ich mich (mehrmals) durch das verschneite Bergdorf gekämpft und möchte euch im Test verraten, weshalb Resident Evil Village den Grundpfeilern der Reihe trotz einiger fragwürdiger Entscheidungen treu bleiben, sich teils heftiger Kritik allerdings nicht erwehren kann.


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Der Fluch des Heldendaseins


Die totgeglaubte Liebe gerettet, mutierte Killerfamilie besiegt, dem grauenhaften Albtraum entkommen: Sicherlich hätte Protagonist Ethan Winters auf die schrecklichen Ereignisse aus Resident Evil 7: Biohazard verzichten können, dürfte mit dem Endresultat aber dennoch zufrieden sein. Zwar können er und seine Frau Mia die Erinnerungen an das einschneidende Erlebnis drei Jahre später weiterhin nicht gänzlich abschütteln, dürfen den Rest ihres Lebens nun aber immerhin zusammen verbringen – und ihre Liebe sogar mit ihrer Tochter Rosemary, kurz Rose, teilen.


Leider muss Ethan zu Beginn von Resident Evil Village aber auf besonders erschütternde Art und Weise lernen, dass das Leben eines Hauptcharakters der Resident Evil-Reihe kein einfaches ist – und dabei fungiert Fanliebling und Zombie-Bekämpfer der ersten Stunde Chris Redfield als intriganter Lehrmeister. Nicht nur, dass dieser Mia mit mehreren Pistolenschüssen ins Jenseits befördert, zu allem Überfluss entführt er auch Rose und lässt Ethans harmonische Zukunftsplanung somit gewissenlos in Scherben zurück.


Wollte Chris auch seinem Leben ein Ende setzen? Darauf findet Ethan zwar keine Antwort, muss sich seinem Schicksal jedoch nicht ergeben, wird sein Transportfahrzeug doch in einen Unfall verwickelt, ihm dadurch ein schicksalhafter Weg in die Freiheit eröffnet, der direkt in ein verschneites Bergdorf führt. Hier wird er allerdings nicht von freundlichen Einwohnern, sondern von martialischen Werwölfen begrüßt, die die Überlebenden mit blutrünstiger Angriffslust terrorisieren.


Direkt den Rückwärtsgang einlegen und dem Horror den Rücken zukehren? Für Ethan keine Option, immerhin scheinen Mutter Miranda, die Herrscherin über das gesamte Dorf, sowie ihre vier dämonischen Grafen eine existenzielle Rolle bei Rosemarys Entführung zu spielen, könnten ihn also eventuell mit seiner geliebten Tochter wiedervereinen. Und da jegliche Verhandlung weder mit netten Worten noch mit freundlichen Bitten, sondern ausschließlich mit gezogener Waffe geführt werden können, stellt er sich einem weiteren Albtraum – und kommt dabei einem schockierenden Geheimnis auf die Spur.



Ein Entwicklungsschritt ist nicht genug


Durch den Verzicht auf ausschweifende Einleitungen Resident Evil Village gelingt ein wahrer Handlungskaltstart. Binnen weniger Minuten überschlagen sich die Ereignisse, herzerwärmendes Familienidyll wird durch die unliebsame Kälte des im Mittelpunkt des neusten Hauptablegers stehenden Dorfes ausgetauscht. Ein vielversprechender Einstieg, dem allerdings unversehens bittere Ernüchterung folgt.


Kaum habe ich das von Werwölfen und anderen Monstrositäten heimgesuchte Örtchen nämlich betreten, herrscht an der Story-Front fast kompletter Stillstand. Gelegentlich mag mir Capcom zwar einen kleinen narrativen Knochen rüberwerfen, durch neu eingeführte Charaktere und das überlegte Einstreuen wichtiger Hinweise zum Lösen aller offenen Mysterien einen kleinen Spannungsfunken erzeugen, fokussiert sich letztlich aber primär auf Ethans Weg von A nach B sowie seinen Auseinandersetzungen mit den vier Grafen und Mutter Miranda.


Prinzipiell wäre das kein Problem, für das Verinnerlichen der dichten Atmosphäre eventuell sogar ein wünschenswerter Ansatz. Dieser setzt allerdings voraus, dass der Protagonist auch ruhige Momente mit Leben füllt, mir während erzählerischer Ruhephasen als Stütze dient – und dieser Aufgabe wird Ethan Winters (abermals!) nicht gerecht! Zugegeben, bei seinem zweiten Auftritt bekommt der Familienvater nicht nur ein dickeres Dialogbuch, sondern auch eine breitere Emotionspalette spendiert, kratzt aber dennoch höchstens an der Oberfläche der charakterlichen Möglichkeiten und muss dadurch weiterhin im Schatten seiner deutlich ansprechenderen Serienkollegen verweilen.


Zum Glück muss Ethan Resident Evil Village nicht alleine über die Ziellinie tragen, sondern wird während der letzten Spielstunden von einem donnernden Wendungsfeuerwerk unterstützt. Und obwohl nicht alle Enthüllungen als Volltreffer bezeichnet werden dürfen, teils arg vorhersehbar, gelegentlich sogar unlogisch ausfallen, hat es das alle roten Fäden zusammenführende Finale gehörig in sich.


Dieses verpasst den während des aufrüttelnden Intros aufgeworfenen Fragen nicht nur klärende Antworten, sondern enthüllt zugleich ein überraschend verflochtenes Handlungsnetz, das aufgrund qualitativ schwankender Dialoge und stellenweise überhetzt inszenierter Sequenzen eine gewisse Stabilität einbüßt, mich aber dennoch spielend leicht einfangen und bis zum Abspann festhalten kann. Und dabei immer wieder einen kleinen WOW-Moment aus dem Ärmel schütteln kann.



Neuer Schauplatz, alte Gefahren


Als Kenner des unglaublich erfolgreichen Vorgängers gab es für mich allerdings nicht nur ein Wiedersehen mit Ethan Winters, zugleich fühlte ich mich bei Resident Evil Village auch direkt heimisch. Abermals unterstütze ich den Bezwinger der Baker-Familie aus der Ego-Perspektive bei seinem Überlebenskampf, steuere ihn dieses Mal allerdings durch ein unheimliches Dorf, ein prunkvolles Schloss und viele weitere schaurig-schöne Schauplätze, die ich euch nicht vorwegnehmen möchte.


Viel Zeit für gemütliche Sightseeing-Touren bleibt mir dabei logischerweise nicht, muss ich doch hinter jeder Ecke mit einem angriffslustigen Monster rechnen, das meine Lebenslichter auf blutige Art und Weise ausknipsen möchte. Zum Glück darf ich auch in der achten Runde der (Haupt-)Reihe erneut auf ein breites Waffenrepertoire zurückgreifen, das neben Messern, Pistolen und Schrotflinten auch ein Scharfschützengewehr oder Granatwerfer beinhaltet. Leider darf ich aufgrund meines begrenzten Inventarplatzes weiterhin nicht als überladene Kampfmaschine auftreten, sondern muss genauestens überlegen, welche Knarren ich neben Heilmitteln und Granaten bei mir führen möchte.


Doch selbst mit endlos tiefen Taschen würde meine Verwandlung zum Möchtegern-Rambo bei Resident Evil Village (zumindest auf einem höheren Schwierigkeitsgrad) nur selten glücken, immerhin wächst Munition weiterhin nicht auf Bäumen und sollte somit sparsam eingesetzt werden. Heißt: Anstatt blind in der Gegend rumzufeuern, nehme ich vor Betätigen des Abzugs die potenzielle Schwachstelle meiner Feinde ins Visier und schicke sie möglichst effizient über den Jordan. Eine empfehlenswerte Strategie, die sich übrigens auch bei den phänomenalen Bosskämpfen bezahlt macht, muss ich meine Überlebensfähigkeiten hier immerhin tatkräftig unter Beweis stellen, um nicht frühzeitig das Zeitliche zu segnen.


Mag nun alles simpel klingen, gestaltet sich in der Praxis allerdings als forderndes Unterfangen, das ein wenig Übung verlangt. Selten stehe ich nämlich einer einzelnen Kreatur gegenüber, bekomme es stattdessen vermehrt mit kleinen Gruppen zu tun, die mein eingeschränktes Sichtfeld liebend gerne ausnutzen und sich von meinem verzweifelten Block nur geringfügig beeindrucken lassen. Das Zeitfenster für gezielte Schüsse fällt dementsprechend klein aus, mündet oftmals in wildes Rumgeballere, womit ich die Bedrohung zwar ebenfalls erfolgreich ausschalten kann, meinen Munitionsvorrat allerdings auf ein erschreckendes Minimum reduziere.



Schatzsucher Winters


Durch einen deutlich stärkeren Action-Fokus – auf den ich im späteren Testverlauf zu sprechen komme – schubst mich Resident Evil Village allerdings selten in eine aus Ressourcenknappheit resultierende Hilfslosigkeit. Gelegentlich musste ich mich zwar zu gewisser Vorsicht ermahnen, meinen Abzugsfinger ein wenig lockern, wurde aber nur ein einziges Mal zum kurzzeitigen Messereinsatz gezwungen, bevor ich mein Inventar wieder mit rettenden Salven füllen konnte.


Dieser Umstand ist freilich auch meiner erkundungsfreudigen Natur zu verdanken. Resident Evil Village mag in puncto Leveldesign auf den ersten Blick nämlich relativ linear ausfallen, verbirgt jedoch in fast jedem Raum einige teils geschickt verborgene Geheimnisse, die es mit ausreichend Neugier und wachem Auge zu entdecken gilt. Lohnenswert ist das allemal, finde ich dadurch doch beispielsweise schicke Spezialzubehörteile, mit denen ich meine gesammelten Knarren um unterstützende Funktionen erweitern darf.


Auch die anderen Belohnungen können sich sehen lassen und erstrecken sich von Munitionsboxen über kostbare Schätze bis hin zu Materialien wie Metallschrott, Kräuter (kein Resident Evil ohne Kräuter!) oder Schießpulver, die ich im Crafting-Menü rasant zu hilfreichen Items kombinieren kann – sofern ich zuvor die benötigten Rezepte in meinen Besitz gebracht habe. Ein perfekter Plan B, sollte ich nach der einen oder anderen unüberlegten Aktion dann doch mit leeren Taschen dastehen.


Meine Suche nach Rose kurzzeitig zu pausieren und unscheinbar anmutende Räume auf der Suche nach wertvollen Kostbarkeiten gehörig auf den Kopf zu stellen, ist mit einem unglaublichen Suchtfaktor behaftet, entpuppt sich als die ultimative Ablenkung vom eigentlichen Hauptziel. Und da mich die Karte mit grau unterlegten Örtlichkeiten über übersehene Schätze informiert, diese erst nach Auflesen aller Wertgegenstände blau färbt, muss ich auch nicht blind im Dunkeln stochern, werde also erfolgreich zum unnachgiebigen Erkunden animiert.



Der Händler meines Vertrauens


Selbst in einem von bissigen Werwölfen überrannten Dorf kann es nie schaden, auch eine gut gefüllte Geldbörse bei sich zu führen. Zum Glück hinterlassen besiege Feinde oftmals einige funkelnde Lei-Münzen, die Währung in Resident Evil Village, mit denen ich mir bereits nach kurzer Zeit ein kleines Vermögen ansammeln darf.


Da Ethan sich nun aber definitiv kein gemütliches Eigenheim im unheimlichen Dorf erwerben, sondern vielmehr seine eigenen Überlebenschancen durch gezielte Investitionen erhöhen möchte, kommt ihm der extrem korpulente, auf den Namen Duke hörende Händler perfekt gelegen. Nicht nur, dass dieser mit seinem mobilen Laden an unterschiedlichen Stellen der Spielwelt aufzufinden ist, zusätzlich bietet er mir im Austausch mit meiner gesammelten Kohle auch eine Reihe unverzichtbarer Verbesserungen und Items an.


Neben Munition, Heilmitteln und neuen Rezepten darf ich beispielsweise auch wichtige Inventarerweiterungen ergattern oder meine Waffensammlung aufwerten. Sollte mir aufgrund der Artikelvielfalt dann doch das nötige Kleingeld fehlen, agiert der Duke dann auch gerne als freundlicher Ankäufer und gibt mir für meine aufgelesenen Schätze Cash auf die Hand. Keine Frage: Diesen Händler kann ich nur weiterempfehlen!


Zudem präsentiert sich der Duke dann auch noch als wahrer Allrounder, wirft uns nicht nur einige Sprüche entgegen, sondern beeindruckt auch mit beachtlichen Kochkünsten. Mache ich nämlich Jagd auf Schweine, Fische oder Hühner und bringe dem sympathischen Fleischberg die Beute, zaubert er mir hieraus köstliche Gerichte, die ausgewählte Statuswerte dauerhaft erhöhen. Eine erweiterte Gesundheitsleiste oder optimierte Schadensresistenz? Bringt ihm die gewünschten Zutaten und der Duke kocht euch zu neuen Kräften!


Sicherlich stellt das Upgrade-System keine weltbewegende Gaming-Revolution darf, wurde allerdings erstklassig in Resident Evil Village eingeflochten und avanciert mit einem umfangreichen Katalog zum wahren Motivationsgaranten. Jeder Besuch beim Duke erfüllte mich mit Freude, konnte ich es doch gar nicht mehr erwarten, mich dem Kaufrausch hinzugeben und meinen Lei-Berg auf den Kopf zu hauen.



Altbewährter Erkundungsalbtraum


Resident Evil Village jagt mich durch mehrere Schauplätze, wobei das namensgebende Dorf als schauriger Mittelpunkt dient, und folgt dabei einem strikten Gameplay-Muster, das gelegentlich zwar ein wenig aufgelockert wird, Fans allerdings recht bekannt vorkommen dürfte.


Habe ich ein neues Gebiet betreten, erkunde ich jeden noch so unscheinbaren Winkel nach nützlichen Hinweisen und wichtigen Gegenständen, schalte heimtückisch angreifende Kreaturen aus und löse gelegentlich sogar kleinere Rätsel, die meine Gehirngänge zwar keineswegs zum Rauchen bringen, ihre Rolle als nette Abwechslung allerdings grandios erfüllen.


So bekannt, so gut? Auf jeden Fall! Spielerische Neuerungen blieben zwar größtenteils auf der Strecke, dafür kombiniert Capcom Stärken unterschiedlicher Serienteile geschickt mit dem gewöhnungsbedürften, letztendlich aber gefeierten Grundgerüst des Vorgängers, entwickelt die hauseigene Vision eines neuen Resident Evils also raffiniert weiter – und sorgt mit den stets erfrischenden, höchstens durch sporadisches Backtracking minimal getrübten Schauplatzwechseln zudem noch für visuelle Varianz.


Hieraus entsteht ein permanenter Wechsel zwischen Erkundung, Kampf, Rätsel und Upgrade-Wahn, der nicht nur herrlich fließend abläuft, sondern Resident Evil Village auch beim Halten des hohen Tempos unterstützt. Zwar schaltet das Abenteuer zeitweise dann doch einige Gänge nach unten, gerät allerdings niemals in den gefürchteten Leerlauf, versperrt ausbremsender Langeweile also erfolgreich den Weg in mein Motivationszentrum.




Atmosphärisches Next-Gen-Schauspiel


Dass mich die Survival-Horror-Fortsetzung problemlos in ihren Bann ziehen kann, ist allerdings nicht nur dem schmackhaften Gameplay-Cocktail, sondern auch Capcoms hauseigener RE Engine zu verdanken, die dank Next-Gen-Power in neuem Glanz erstrahlt – ein Glück, dass mir für den Test die PS5- sowie die XSX-Variante zur Verfügung standen.


Nutznießer des visuellen Upgrades sind erstrangig die optisch ansprechenden Kulissen, die dank beeindruckender Detailvielfalt und anschaulichem Feinschliff allesamt einem meisterhaften Gemälde gleichen, dadurch zum unverzichtbaren Grundstein der bedrohlichen Village-Atmosphäre wird. Derweil erhalten die unterschiedlichen Monster eine ordentliche Anti-Schönheitsoperation, präsentieren sich dadurch grässlicher denn je und „überzeugen“ vor allem bei Nahaufnahmen mit schrecklich-schönen Einzelheiten, die bei einer 4K-HDR-Auflösung und stabilen 60fps-Framerate besonders zur Geltung kommen.


Grafisches Highlight und somit gefeiertes I-Tüpfelchen des grafischen Aspekts sind allerdings die herausragend implementierten Raytracing-Effekte, die eine optimierte Beleuchtung sowie schicke Spiegelungen garantieren, die höllische Szenerie somit noch realer erscheinen lassen. Dass die Bildrate dadurch auf 45fps reduziert wird, ist ein vertretbares Opfer, kann der Spielfluss doch weiterhin sein volles Potenzial entfalten und dabei optisch auf ganzer Linie punkten.


Eine fehlerfreie Allzweckwaffe mag die RE Engine 2.0 zwar nicht sein, matschige Texturen und seltene Pop-ups werden beispielsweise nicht aus der Grafikgleichung gestrichen, scheint für die nächste Konsolengeneration aber ausreichend gewappnet zu sein, dürfte bei zukünftigen Titeln mit feinen Nachjustierungen noch überwältigender ausfallen. Ich bin gespannt, ob Capcom den Optimierungspfad beschreiten wird oder eventuell sogar einen ambitionierten Engine-Neustart wagt.


Dass die neue Hardware ausreichend Raum für entwicklungstechnische Möglichkeiten bereithält, wurde mir vor allem beim PS5-Test bewusst. Dabei war es neben den fast gänzlich ausradierten Ladezeiten – ein Zwei-Sekunden-Wartemodus nach Laden meines Speicherstands war hier das höchste der Gefühle – die von Sony bereits vor Release lautstark gepriesene 3D-Audio-Funktion, die das Survival-Horror-Erlebnis noch immersiver, noch intensiver machen sollte.


Erfreulicherweise versteckt sich dahinter kein PR-Blabla, sondern ein dank direktionaler Soundeffekte eindringliches Headset-Erlebnis, das mich nach einer längeren Test-Session nicht nur begeistert, sondern auch ein wenig verstört zurückgelassen hatte, vermutete ich doch mehrfach einen plötzlichen Werwolf- und Vampir-Überfall in meinem eigenen Wohnzimmer. Nur der deutschen Sprachausgabe mitsamt ihren soliden, leider aber auch katastrophalen Sprecherleistungen kann der verstärkte Sound nicht helfen. Zum Glück darf ich problemlos zum deutlich besseren englischen Original wechseln.



Erfreuliches Horrorfundament...


Die Gameplay- und Technik-Weichen für ein weiteres unvergessliches Horrorerlebnis sind also definitiv gestellt. Bleibt nur die Frage, ob Capcom die in Resident Evil 7: Biohazard begonnene Rückbesinnung auf die frühesten Serienwurzeln weiterverfolgt oder mit dem Nachfolger eine Kehrtwende vornimmt. Von ungefähr kommt dieser Gedanke natürlich nicht, weckten veröffentlichte Trailer mit Werwölfen, Vampiren, hell erleuchteten Umgebungen und großzügigem Waffeneinsatz in mir doch gewisse Zweifel.


Nach meinem ausführlichen Test konnte ich mir nun meine persönliche Meinung bilden und kann festhalten, dass Resident Evil Village nicht etwa zur harmlosen Geisterbahnfahrt verkommt, das zuvor prunkvolle Gruselkleid aber bedauerlicherweise einige Federn lassen musste.


Dabei fallen die ersten Spielstunden vielversprechend aus. Zwar muss ich mich vom wundervoll schaurigen Louisiana verabschieden, bekomme aber auch von den neuen Schauplätzen den einen oder anderen Schauer verpasst. Wenn Objekte wir durch Geisterhand plötzlich zu Boden fallen, die bedrohliche Stille durch unidentifizierbare Geräusche unterbrochen wird oder Feinde mich hinterrücks anfallen, geht mir ordentlich die Pumpe.


Waren im Vorgänger noch bedrückende Dunkelheit, unheimliche Kellergänge und regelrechter Psycho-Horror mein ständiger Begleiter, scheint Capcom den atmosphärischen Fokus gezielt in eine andere Richtung verschieben zu wollen, Resident Evil Village mit Tageslicht und weitläufigeren Umgebungen zwar streckenweise ein wenig aufzulockern, dabei aber auch nicht auf ein immerwährendes Unbehagen, das beklemmende Gefühl steter Unsicherheit verzichten zu wollen.


Aus heiterem Himmel explodierte das Horrormeter dann aber doch, riss mich rigoros in einen verdrehten Albtraum und weckte aufgrund seelischer Gaming-Narben verdrängte Erinnerungen an die mittlerweile sagenumwobene P.T./Playable Teaser/Silent Hills-Demo. Spoiler, sogar kleinste Andeutungen möchte ich mir an dieser Stelle sparen, lohnt sich Resident Evil Village doch allein für diese Passage – die für mich definitiv ein Serien-Highlight darstellt.



...mit fragwürdigem Action-Anbau


Super, Capcom hat die Horrorschraube also hier und da ein wenig aufgelockert, den Ton aber dennoch erneut getroffen. Friede, Freude, Gruselkuchen, alle können glücklich sein... würde ich hier jetzt gerne ernsthaft festhalten wollen. Leider vollzieht Resident Evil Village im späteren Verlauf dann aber doch eine unerwartete Kehrtwende, die actionreicher kaum ausfallen könnte.


Serienveteranen wird das kaum überraschen, immerhin scheint ein Abdriften des fulminanten Finales fast schon Tradition, der fette Raketenwerfer beim intensiven Showdown mit dem Oberboss Pflicht zu sein. Ethan Winters treibt das Ganze jedoch an die Spitze, spart sich diesen Wandel nicht nur für die letzten Abenteuerschritte auf, sondern lebt seine wilde Seite während des entscheidenden Drittels aus.


Spielerisch mag das Ganze sicherlich tadellos umgesetzt sein, garantiert dank der umfangreichen Waffenauswahl und unterschiedlichen Gegnertypen weiterhin ausreichend Abwechslung, verhindert also zum Glück das Absinken im monotonen Actionbrei. Mit dem atmosphärischen siebenten Teil sowie dem unheimlichen Horroraufbau der vorangegangen Dorfbesichtigung fühlt sich dieser langgezogene Abschnitt wie ein Fremdkörper an, will nicht wirklich in das Gesamtwerk passen und hinterlässt durch einen qualitativen Absturz somit einen faden Beigeschmack.


Erwartet Horror- und vor allem Resident Evil-Fans bei Village an dieser Stelle also eine herbe Enttäuschung? Jein. Obwohl sich ein gewisser Rückschritt in der Gruselrubrik kaum abstreiten lässt, niederschmetternde Enttäuschung also nur mit der richtigen mentalen Vorbereitung vermieden werden kann, liefert Capcom ausreichend Survival-Horror, um mich unterm Strich zufriedenzustellen. Bleibt nur zu hoffen, dass der spürbare Abwärtstrend der Schock-Elemente sich bei eventuellen (beziehungsweise garantierten) Nachfolgern nicht fortsetzen wird.



Ausgedehnter Dorfurlaub


Auf der mittleren Schwierigkeitsstufe dauerte mein Marsch in Richtung Abspann knappe 14 Stunden – inklusive optionaler Erkundungszüge und Schatzsuchen. Sicherlich hätte ich diese von meiner Agenda streichen und noch rasanter gen Ende spurten, die Gesamtspielzeit dadurch problemlos im einstelligen Bereich halten können, wollte das atmosphärische Dorf zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht verlassen, fühlte mich sogar zu einem weiteren Durchgang animiert.


Zum Glück war sich auch Capcom dieser fesselnden Magie bewusst und spendiert mir mit etlichen Nebenbeschäftigungen ausreichend Gründe, Resident Evil Village nicht direkt in die Ecke meiner heimischen Videospielsammlung zu verbannen, sondern mich hochmotiviert ein weiteres Mal durch die fesselnde Hauptkampagne zu kämpfen und dabei meine Überlebensfähigkeiten gehörig auf die Probe zu stellen.


In erster Linie gelingt mir das durch das Auswählen der Hardcore- oder der wahrhaft strapaziösen Dorf der Schatten-Stufe (letztere schalte ich direkt via DLC oder nach Beenden der Kampagne frei, die selbst kleinste Fehler gnadenlos bestrafen und somit eine nervenaufreibende, aber mit ausreichend Konzentration durchweg faire Herausforderung garantieren. Wem das Ganze dann doch zu heftig ist, darf sich bei der Konfrontation mit einem knackigen Schwierigkeitsgrad per New Game Plus einen kleinen Vorteil verschaffen, also von Anfang an auf alle bereits freigeschalteten Waffen und Upgrades zurückgreifen und sogar den Zugriff auf einen unendlichen Munitionsvorrat käuflich erwerben.


Ob man sich nun weiterhin als Überlebenskünstler bezeichnen darf? Fragwürdig – erstklassige Unterhaltung ist dadurch aber auf jeden Fall garantiert! Meinen Dorfausflug direkt mit gefülltem Inventar zu starten, fleißig neue Verbesserungen anzusammeln und damit sogar ehrgeizige Speedruns zu starten fesselt mich regelrecht an die Konsole und bietet ausreichend Futter, um die 20-Stunden-Marke schlussendlich doch noch zu knacken.



Eine willkommene Action-Ausnahme


Nun könnte man annehmen, dass Resident Evil Village nach erfolgreichem Abschließen all dieser Nebenziele die inhaltliche Puste ausgeht. Falsch gedacht, denn dieses Mal ist endlich wieder der altbekannte Söldner-Modus am Start, der jegliche Horrorelemente gnadenlos über Bord wirft und brachiale Daueraction bewusst in den Vordergrund stellt.


Zugriff auf das enorm beliebte Bonusspiel erhalte ich nach Beenden des Hauptspiels, darf all meine angeeigneten spielerischen Fähigkeiten bei der bleihaltigen Dorfsäuberung also direkt anwenden. Die Regeln sind denkbar simpel: Innerhalb eines knapp bemessenen Zeitfenster muss ich eine vorgegebene Anzahl an heranstürmenden Gegnern eliminieren, um mich von einem Abschnitt zum nächsten zu hangeln und rechtzeitig das rettende Ziel zu erreichen. Dass es die insgesamt acht Level trotz einfacher Aufgabenstellung dabei in sich haben, eine lockere Herangehensweise unliebsam bestrafen, ist dabei wenig überraschend.


Ohne ausgeklügelte Strategie renne ich in mein Verderben, kann mich vielleicht noch gegen die ersten Feindeswellen behaupten, den finalen Abschnitt vor Ablauf des Countdowns zu meistern wird aber zur regelrechten Unmöglichkeit. Zum Glück lassen sich innerhalb der Level nicht nur Zeitboni, sondern auch Fähigkeiten abgreifen, die beispielsweise meine Feuerkraft oder Geschwindigkeit steigern. Dem Duke darf ich ebenfalls einen Besuch abstatten, neue Waffen kaufen und diese nach Wunsch modifizieren, um mir bessere Chancen einzuräumen. Die Söldner präsentiert sich dadurch als herausragender Spielplatz, um sich bei der Monsterjagd ordentlich auszutoben und durch taktische Brillanz respektable Bestwertungen einzufahren – und kurbelt die Spielzeit somit noch weiter in die Höhe.


Reicht euch immer noch nicht? Kein Problem, feuert Capcom mit Resident Evil Re:Verse doch noch ein vielversprechendes Multiplayer-Erlebnis hinterher, in dem ich namhafte Charaktere der Serienhistorie und sogar übermächtige Biowaffen steuern darf, um Punkte zu scheffeln und damit den Sieg an mich zu reißen. Und als Besitzer von Resident Evil Village werde ich auch nicht erneut zur Kasse gebeten, sondern darf mich jetzt schon als potenziellen Kandidaten für hitzige Online-Gefechte sehen – leider erst ab Sommer 2021, weshalb ich mir dazu noch kein Bild machen konnte.


Schade, geht Capcom beim erneuten Versuch einer Multiplayer-Variante doch ein gewisses Release-Momentum flöten. Immerhin bekomme ich ausreichend Möglichkeiten kredenzt, die Wartezeit zu überbrücken, das Dorf mehrmals auf den Kopf zu stellen, dabei jegliche Geheimnisse zu lüften, alle Upgrades freizuschalten und meinen Highscore im Söldner-Modus stetig zu verbessern. Eine lange Liste, deren Abarbeiten enorm viel Freude bereitet.


Resident Evil Village will mich nicht loslassen, hält mich händeringend im furchteinflößenden Horror-Dorf fest, steht einer frühen Abreise konsequent im Weg – und hat damit sogar noch Erfolg! Scheinbar muss ich meinen geplanten Aufenthalt dann doch nochmal verlängern...


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Fazit


Mit Resident Evil Village setzt Capcom den im Vorgänger eingeschlagenen Pfad der Serien-Neuerfindung stolz erhobenen Hauptes fort und schickt den (weiterhin nicht sonderlich spannenden) Protagonisten Ethan Winters dabei durch ein weiteres Ego-Abenteuer, dessen Handlung sich zwar als zweischneide Klinge herausstellt, das dafür aber an fast allen weiteren Fronten vollends abliefert.


Während das herrlich düstere Setting sowie die beklemmende Atmosphäre durch den gezielten Einsatz der nun zur Verfügung stehenden Next-Gen-Stärken ihre volle Wirkungskraft entfalten, sich im gekonnten Zusammenspiel als unglaublich packender (Alb)Traum präsentieren können, garantieren mir mit zahlreichen Geheimnissen ausgestattete Schauplätze, grandiose Bosskämpfe sowie eine Vielzahl motivierender Haupt- und Nebenbeschäftigung stundenlange Unterhaltung mit bravourösem Wiederspielwelt.


Und obwohl Resident Evil Village als konsequent umgesetzte Weiterentwicklung den starken Vorgänger in vielerlei Hinsicht problemlos in den Schatten stellen kann, Fans müssen sich Fans erneut die Frage stellen, ob der inkludierte Horroranteil als ausreichend bewertet werden darf oder der erhoffte Genre-Schwerpunkt brachial verfehlt wurde. Während ein Großteil der blutigen Dorfbesichtigung nämlich mit einigen Horroraspekten aufwartet, mir sogar DAS schockierende Psycho-Highlight des Jahres serviert, stolpert Capcom im finalen Drittel über die altbekannten Fallen, wirft jeden Anschein von Survival-Horror über Bord und verliert sich in einer blinden Actionorgie, die nach Erreichen des Abspanns einen faden Beigeschmack hinterlässt.


Es bleibt zu hoffen, dass Capcom mit den beiden letzten Ablegern der Hauptreihe die Extremen des Horror- und Action-Genres ausprobieren wollte, sich nun endgültig auf die Wurzeln zurückbesinnt, gerne auch einen ausbalancierten Mittelweg wählt. Immerhin dürften selbst Hardcore-Fans Resident Evil Village als grundsolide Horrorshow akzeptieren, die sich dem Abgrund des atmosphärischen Versagens jedoch gefährlich annähert – und da könnte jeder weitere unbedachte Schritt direkt eine weitere Neuerfindung notwendig machen.

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