Alan Wake Remastered

Alan Wake Remastered



Die gelungene Remaster-Rückkehr des namhaften Gaming-Schriftstellers.


In einem von Ports, Remastern und Remakes gezeichneten Videospiel-Zeitalter könnte man annehmen, dass sich die Gaming-Community überhaupt nicht nach originellen Ideen sehnt, sondern primär Neuauflagen namhafter Klassiker oder relativ aktueller Highlight-Releases (bestes Beispiel: die Director's Cuts von Death Stranding und Ghost of Tsushima) verlangt – immerhin findet gefühlt wöchentlich ein neuer virtueller Ausflug in die spielerische Vergangenheit seinen Weg in die örtlichen Händlerregale.


Dabei sind es eben diese Releases, die stets auf einem enorm schmalen Dreiecksgrat zwischen Verwirrung, Verteufelung, aber auch Vorfreude zu balancieren scheinen. Immerhin ist lautstarke Kritik keine Seltenheit, wobei mangelnde Kreativität, eine lieblose Umsetzung oder gar Geldgier als beliebte Hauptargumente aus der Beschwerdeschublade gezogen werden, um Entwicklerstudios an den erdachten Pranger zu stellen.


Gelegentlich gibt es dann aber doch diesen einen Titel, der sich vor Negativität kaum zu fürchten braucht, vielmehr Jubelrufe und Begeisterung auslöst, scheint er für eine auffrischende Zellenkur doch wahrlich prädestiniert zu sein. Und eben solch ein Titel ist Alan Wake Remastered, das über ein Jahrzehnt nach der Xbox 360-exklusiven Erstveröffentlichung im Mai 2010 eine unverhoffte Rückkehr aus der temporären Vergessenheit feiert und mit gestriegeltem Technikgewand auf den Last- und Current-Gen-Konsolen sowie dem PC alte Fans zu einem nostalgischen Trip, neue Anhänger derweil zu einer spannenden Ersterkundung einladen möchte.


Doch ob Remedy Entertainment mit dieser Neuauflage tatsächlich die packende Faszination und atmosphärische Wucht des Originals erneut einfangen konnte oder sich das gefeierte Meisterwerk beim Sprung in die Moderne in der Dunkelheit

verliert, möchte ich euch im erleuchtenden Test verraten.


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Die Sünden meiner Gamer-Vergangenheit


Ich bezeichne mich voller Stolz als Vollblut-Gamer. Leider muss ich gleichzeitig zugeben, dass auch meine leidenschaftliche Videospielweste aufgrund einiger schwerwiegender Fehlentscheidungen nicht gänzlich rein ist. Fehlentscheidungen, die mich noch bis heute verfolgen und dafür sorgen, dass ich mich in meinem anfangs genannten Stolz gekränkt fühle.


Wenn beispielsweise in einer geselligen Konversationsrunde urplötzlich die Klassiker aus der Themenkiste gekramt werden, die Gruppe in wundervollen Erinnerungen schwelgt und dann unweigerlich bei Alan Wake landet, wird eine meiner eigentlich verschlossenen Wunden unliebsam aufgerissen und eine komplette Salzladung hineingeschüttet. Bisher konnte ich hierbei nämlich nur ein „Sorry, keine Ahnung“ beisteuern.


Ja, ich gebe es zu: Obwohl ich das verantwortliche Entwicklerstudio Remedy Entertainment damals dank ihrer beiden Max Payne-Titel ins Herz geschlossen hatte, fand der preisgekrönte Action-Thriller rund um den namensgebenden Schriftsteller Alan Wake nie seinen Weg in mein Laufwerk. Hatte ich andere Dinge auf der Uhr? Wurde ich mit den Previews nicht warm? War meine Xbox eventuell schon den RRoD-Tod gestorben? Leider erinnere ich mich nicht daran. Ein Fakt bleibt aber bestehen: Es ist ein Versäumnis, für das ich mich viele Jahre geschämt hatte.


Nun bilde ich mir aber ein, dass Remedy diese Schande bis nach Finnland gerochen hat und mir bei meiner Problembewältigung effektiv helfen wollte – anders kann ich mir die unerwartete Ankündigung von Alan Wake Remastered nicht erklären. Ein ambitioniertes Update des Originals, das nicht nur erstmalig für ein PlayStation-System erscheint, sondern zudem direkt auf der neuen Konsolengeneration erlebt werden darf? Da hatte ich wohl den persönlichen Gaming-Jackpot geknackt.


Dachte ich zumindest, wurde ich während der ersten Spielstunden doch mit ambivalenten Gefühlen konfrontiert, die meine Gamer-Gedankenwelt gnadenlos auf den Kopf stellten. Weil mich das Erlebte so sehr enttäuschte? Ganz im Gegenteil! Weil meine um viel zu viele Jahre aufgeschobene Reise in das kleine Örtchen Bright Falls eindrucksvoller kaum hätte ausfallen können. Und die Schande, dass ich auf diesen Trip so lange Zeit bewusst verzichtet hatte, mit jedem Schritt größer wurde.



Keine Urlaubsempfehlung für Bright Falls


Dabei möchte in den Beginn von Alan Wake Remastered beinahe als hoffnungsfroh bezeichnen – obwohl ich den Protagonisten an einem emotionalen Tiefpunkt begegnete. Zwar darf sich Alan Wake nämlich stolz als Bestseller-Autor bezeichnen, muss diesem Titel nun allerdings wehmütig ein vorangestelltes Ehemaliger beifügen, steht seiner Kreativität doch bereits seit zwei Jahren eine fiese Schreibblockade im Weg.


Als sich dann auch noch fiese Albträume in seine konfuse Tagesroutine einschleichen, muss der Evergreen State Washington als Notfalllösung herhalten. Hier liegt nämlich das beschauliche (und fiktionale) Bright Falls, das Alan gemeinsam mit seiner Frau Alice als Reiseziel festlegt, um seine Seele baumeln und sich beruhigt fallenlassen zu können. Das Ziel: Alle Dämonen abzuschütteln und die lebenseinschränkende Blockade zu lösen. Und dabei wirkt ein kompletter Ortswechsel manchmal wahre Wunder.


Aber leider eben nur manchmal, denn in Alans Fall möchte sich aus nachvollziehbaren Gründen kein wirkliches Urlaubsfeeling einstellen. Nicht nur, dass Alice bereits kurz nach der Ankunft in Bright Falls entführt wird, zudem tauchen auch noch geheimnisvolle Schattenwesen auf, die dem Schriftsteller nach dem Leben trachten. Doch passiert das alles wirklich? Wandelt Alan weiterhin durch die greifbare Realität? Oder hat er sich bereits in einem finsteren Gedankenkonstrukt verloren? Auf der Suche nach den Antworten scheint er nach und nach von einer finsteren Dunkelheit übermannt zu werden und muss versuchen, nicht den Verstand zu verlieren.


Dass Remedy die menschliche Psyche gekonnt zur narrativen Allzweckwaffe umfunktionieren und dadurch packende Dauerspannung garantieren kann, wurde bereits mit den beiden Max Payne-Titeln unter Beweis gestellt. Bei Alan Wake Remastered fällt diese Komponente sogar noch eindringlicher aus, führte bei mir stellenweise sogar zu einem wahren Unwohl sein, traf mich die geballte, aus offenen Fragen, jeder Menge Verwirrung und einer gehörigen Portion Mindf*ck bestehende Faust doch schonungslos in die Magengrube und entschädigte mich erst in Richtung Finale mit einigen – aber definitiv nicht allen – Antworten.


Eben diese geglückte Mischung ist es aber, die mich nach dem erstmaligen Beenden des Hauptabenteuers sowie beider direkt inkludierter DLCs mit einem Lächeln zurückließ. Wie bei einem guten Buch oder einem vielschichtigen Film konnte ich den Controller nämlich gar nicht zur Seite legen, wurde durch die zahlreichen Mysterien mehrmals zum spontanen Hinzufügen einer weiteren Spielstunde animiert und brauchte mich aufgrund der einige rote Nebenfäden aus der Hand verlierenden, schlussendlich aber dennoch befriedigende Auflösung jedoch nicht vor Enttäuschung zu fürchten.



Inspiration als kreatives Sprungbrett


Erzählerische Simplizität scheint Remedy um jeden Preis vermeiden zu wollen. Obwohl sich die Grundhandlung fast aller Veröffentlichungen der hauseigenen Videospielhistorie rasant zusammenfassen lassen, wird es bei der Analyse des vollständigen Story-Geflechts überraschend komplex und stilistisch anspruchsvoll.


Alan Wake Remastered stellt hierbei keine Ausnahme dar, wobei die Komplexität nicht nur auf die zahlreichen Mysterien, sondern auch auf die eigentliche Inszenierung zurückzuführen ist. Anstatt mich gradlinig durch ein filmreifes Abenteuer zu führen, wird das Geschehen in unterschiedliche Episoden geteilt, die nicht zuletzt durch Cliffhanger und kurze Recap-Sequenzen an waschechte TV-Serien erinnern.


Eine wahrhaft spannende Präsentation, die sicherlich bereits 2010 das Interesse der Gaming-Community weckte, in Zeiten von Netflix, Disney+ und Co. aber sogar noch passender, mitreißender, aktueller wirkt. Ein Umstand, der hauptsächlich dem meisterhaften Einsatz des Entwicklerteams zu verdanken ist – denn zu keinem Zeitpunkt fühlt sich die narrative Teilung erzwungen an, sondern macht durchweg einen vortrefflichen Eindruck, der auf allerhöchste Präzision beim Schreiben des Drehbuchs hindeutet.


Dass Remedy sich dabei zudem noch von namhaften Schriftstellern und Serien hat inspirieren lassen, bleibt kein wirkliches Geheimnis. Regelmäßig werde ich an die zahlreichen Werke von Stephen King erinnert, während sich die Bewohner von Bright Falls eines einzigartigen Twin Peaks-Charme kaum erwehren können. Alan Wake Remastered verkommt dadurch allerdings nicht zur billigen Kopie, sondern präsentiert sich vielmehr als exquisite Hommage, die sich die Stärken der rezitierten Vorbilder einverleibt, um damit eine eigene Welt zu erschaffen.


Und diese füllt Remedy anschließend auf exzeptionelle Art und Weise mit Leben, erschafft eine Reihe interessanter Pro- und Antagonisten, verpasst ihnen glaubwürdige Dialoge und erzählt damit eine ebenso unheimliche wie auch mitreißende Geschichte rund um das mentale Leid eines kreativen Schreiberlings, dessen Leben auf dem steinigen Weg in Richtung Wahrheit mehrfach unliebsam auf den Kopf gestellt wird. Und mich als Neueinsteiger förmlich an den Controller fesselte.



Es werde (rettendes) Licht


Beim Gameplay tritt Remedy dann allerdings zunächst ein wenig auf die Bremse. Oberflächlich betrachtet bekomme ich mit Alan Wake Remastered nämlich einen recht gradlinigen Action-Titel geboten, der sich fast schon brav an die Genre-Konventionen hält und denen höchstens einen dunklen Anstrich verpasst: Aus der Third-Person-Perspektive steuere ich Alan im Rahmen mehrerer Episoden durch unterschiedliche, recht gradlinig aufgebaute Schauplätze und Sorge mit Pistole, Schrotflinte und Co. für das frühzeitige Verschwinden meiner unliebsamen Schattenfreunde.


Natürlich steuern wir keinen Waffen-Freak, keinen abgehärteten Kriegsveteranen, keinen obercoolen Actionhelden mit Krach-Bumm-Erfahrung. Sondern einen bis auf den innersten psychologischen Kern verwirrten Schriftsteller, der Mühe und Not hat, sich dieser Bedrohung zu erwehren. Zum Glück hat dieser neben geladenen Ballermännern noch eine Taschenlampe dabei, die in ausweglosen Situationen ein wenig Licht ins Dunkel bringt (sorry, den konnte ich nicht auf der Teststrecke liegen lassen).


Da sich die finsteren Kreaturen die Dunkelheit aber nicht nur zum Freund, sondern auch zum Schutzschild machen, ist blindes Dauerfeuer nur selten von Erfolg gekrönt. Richtet man die Lichtquelle zuvor aber auf die übernatürlichen Kontrahenten, brennen deren Verteidigungsgürtel nacheinander nieder, woraufhin einige gezielte Schüsse den verdienten Sieg für den Autor einbringen können. Okay, heutzutage mag dieses Element ebenfalls keinerlei Innovationspreise einfahren, wird bei Alan Wake Remastered jedoch so elegant in die Spielwelt integriert, dass es zu einer unverzichtbaren Variablen der Unterhaltungssumme wird.


Stets muss ich nämlich nicht nur die Batterien meiner Taschenlampe, sondern auch die Umgebung im Blick behalten, um nicht plötzlich hilflos vor dem sicheren Tod zu stehen. Werden mich meine Batterien beim nächsten Kampf nicht im Stich lassen? Kann ich eventuell bestimmte Beleuchtungskörper des aktuellen Schauplatzes zu meinem Vorteil nutzen und dadurch noch effektiver an der Schattenfront aufräumen? Und gibt es irgendwie einen hell erleuchteten Bereich, der mich in Notfällen vor dem sicheren Untergang bewahrt? Taktische Bausteine, mit denen ich mir eine durchdachte Strategie aufbauen und grundlegend simple Ballereien gehörig aufpeppen kann.


Spätestens bei den herrlich abgedrehten, da wundervoll skurrilen Bosskämpfen (hierauf möchte ich nicht näher eingehen, Neueinsteiger sollten sich diese kreativen Remedy-Überraschungen ebenfalls nicht vorwegnehmen oder vermiesen lassen) ist ein raffinierter Schlachtplan Gold wert. Bockschwere Herausforderungen mit nervtötenden Bildschirmtoden in Dauerschleife braucht man zwar nicht zu befürchten, erleichtert sich das Weiterkommen aber enorm, wenn der Lampen-Pistolen-Einsatz einfach von den Händen geht.




Immer tiefer in den Handlungsba


Nach meiner enorm fesselnden Reise durch die sechs Haupt- und zwei anschließenden DLC-Kapitel Das Signal und Der Schriftsteller belief sich meine Gesamtspielzeit auf knappe 18 Stunden, wobei ihr mir ausreichend Zeit zum Genießen der cineastischen Atmosphäre gelassen hatte. Open-World-Fetischisten wird dieser scheinbar magere Umfang eventuell zunächst schockieren, doch stellt er sich im Falle von Alan Wake Remastered als treffend gewählt heraus.


Ausreichend Raum zur Erkundung der verschiedenen Schauplätze wird mir zwar gegeben, dennoch wird die grundlegende Freiheit durch eine gewisse Linearität gezielt eingeschränkt, um mich bestimmt durch die Haupthandlung zu führen. Wenigstens werden optionale Nebenausflüge mitunter belohnt: Nämlich mit auffindbaren Thermoskannen, Radios, neuen Episoden einer populären TV-Show oder geheimnisvollen Manuskriptseiten, die für Alan von besonderer Bedeutung sind.


Dass viele dieser Gegenstände nicht einfach nur seelenlose Sammelobjekte ohne besonderen Nutzen sind, dürften vor allem Fans des Originals wissen – gleichwohl möchte ich diese Facetten an dieser Stelle nicht näher vorstellen, um potenzielle Spoiler zu vermeiden. Vollkommen spoilerfrei kann ich aber festhalten, dass Remedy eben durch diese Elemente nicht nur eine außerordentliche Faszination auslöst, sondern zugleich den minutiösen Aufbau einer vielschichtigen Spielwelt vornimmt, was nicht nur das Entwicklerstudio, sondern auch Alan Wake Remastered an sich besonders auszeichnet.


Hier wird nicht einfach nur eine verflochtene Geschichte rund um die verquere Gedankenwelt eines gebeutelten Schriftstellers erzählt, sondern ein unfassbar kleinteiliges, dennoch erstklassig in sich geschlossenes Handlungsuniversum aufgebaut, das trotz immer neu hinzukommender Bausteine überschaubar, verständlich und dadurch mitreißend bleibt. Und sich in diesem umherzubewegen, eigene Theorien aufzustellen und diese durch das Auffinden klärender Antworten oder Ergründen ungelöster Geheimnisse auf die Probe zu stellen, macht einfach nur Freude. Bravo, Remedy.



Grafik-Upgrade mit enormer Wirkungskraft


Nun musste mich als Neueinsteiger, gleichzeitig aber auch als kritischer Tester verwirrt am Kopf kratzen und mich ehrlich fragen: Welche spielerischen Neuerungen hat Alan Wake Remastered denn nun eigentlich zu bieten? Eine Frage, die ich nur durch den käuflichen Erwerb der Xbox 360-Variante zuverlässig beantworten konnte und die eigens gesetzte Deadline zur Fertigstellung des Tests erbarmungslos ausreizte. Zumindest hat sich diese Entscheidung dann aber auch gelohnt.


Spielerische Verbesserungen oder gar Neuerungen sind enorm rar gesät und belaufen sich strenggenommen nur auf neue, kryptische QR Codes und eine neue Kommentarspur von Creative Director, Autor und Legende Sam Lake. Wenig verwunderlich, konnte das Original in puncto Gameplay doch bereits 2010 überzeugen und wurde höchstens durch einige teils gravierende technische Schnitzer optisch sowie spielerisch aus der dynamischen Bahn geworfen.


Aber Moment, hat hier jemand von grafischen Sünden und Fehltritten der Vergangenheit gesprochen? DIE perfekte Gelegenheit, als aufpoliertes Remaster strahlend zu glänzen. Erfreulicherweise hat Remedy sich auch hier nicht gemütlich zurückgelehnt, sondern den zahlreichen Umgebungen und Haupt- und Nebencharakteren dank einer aufgedrehten Detailverliebtheit und eines unverkennbaren Feinschliffs bedeutend mehr Leben verliehen. Auch die Licht- und Schatteneffekte bekommen einen willkommenen Grafik-Boost spendiert und sorgen damit vor allem in den (nicht gerade seltenen) Nachtsequenzen für intensivere Gänsehautmomente.


Alan Wake Remastered zerrt jedoch nicht nur völlig neue Stärken ins Sonnenlicht, sondern verbannt gleichzeitig altbekannte Schwachstellen konsequent in die Dunkelheit. Vom schrecklichen Screen-Tearing, üblen Performance-Einbrüchen und unschönen Kantenflimmern der Ur-Fassung fehlt nun nämlich (fast) jede Spur, stattdessen darf ich Alan nahezu butterweich durch das visuell aufgefrischte Bright Falls steuern und in den Zwischensequenzen Gesichter betrachten, die sicherlich nicht als fotorealistisch bezeichnen werden dürfen, nun aber zumindest die Bezeichnung Menschlich verdienen.


Hierbei handelt es sich zum Glück nicht nur um eine lieblos hingeklatsche Aufhübschung, sondern um eine durchdachte Aufwertung der technischen Tragesäule, die auch in die spielerische Komponente hineinragt. Nun konnte ich die Erfahrung 2010 nicht am eigenen Leib erfahren, muss aber auch heutzutage beim Abstecher in das Retro-Bright-Falls auf der Xbox 360 feststellen, dass die technischen Unzulänglichkeiten einem steilen Anstieg der Motivationskurve unliebsam im Weg standen, bedeutend mehr Feinschliff von Nöten gewesen wäre.


Feinschliff (und natürlich auch zusätzliche Hardware-Power), den Alan Wake Remastered augenscheinlich genießen durfte. Während man grafisch keine neuen Maßstäbe setzen und weder auf PS5 noch auf XSX das angestaubte Grundgerüst des Originals abschütteln kann, fühlt sich nicht nur das visuelle Gesamtbild, sondern auch meine Reise durch den Albtraum (oder die erschreckende Realität?) bedeutend geschmeidiger an.


Die Folge: Die atmosphärische Kulisse kann mich noch leichter in ihren geheimnisvollen Bann ziehen, wurden unliebsame Hürden in Form ablenkender Tearing-Angriffe oder Rucklerorgien doch nun endlich ausgemerzt. Somit werde ich nicht mehr plötzlich aus dem Geschehen gerissen, versinke also gänzlich ungestört immer weiter im Remedy’schen Mystery-Sumpf. Ein beklemmendes, aber auch ein herrliches Gefühl.



Zeit für mehr Alan Wake


Dass das Entwicklerteam das Remaster-Gaspedal dann aber nicht vollends durchgetreten und mir als Neueinsteiger direkt das optimale und an jeglichen Fronten generalüberholte Top-Erlebnis spendiert hat, nagt geringfügig an mir.


Hätte man dem spätestens ab der Halbzeit des Gruselabenteuers in eine leicht abwechslungsarme Richtung einlenkenden Kampfsystem nicht neue Elemente hinzufügen können, um einer eventuell sauer aufstoßenden Monotonie entgegenzuwirken? Wieso muss die deutsche Variante weiterhin einige katastrophale Sprecherleistungen hinnehmen, anstatt in Alan Wake Remastered einen dringend notwendigen Qualitäts-Boost (beziehungsweise einige neu aufgenommene Dialogzeilen) zu bekommen und dadurch die unheimliche Atmosphäre besser aufrechterhalten zu können?


Normalerweise müsste ich ein Remaster für solche Versäumnisse deutlich abstrafen. Da Remedy dieses allerdings nicht als künstlich aufgeblasenen Vollpreistitel auf den Markt wirkt, sondern bereits zum Launch attraktive 30 Euro aufruft, verändert das logischerweise auch meinen kritischen Wertungsblick. Angesichts dieser äußerst faire Preispolitik kann ich diesem Gesamtpaket dann nämlich nur noch applaudieren.


Gegenargumente für einen Kauf lassen sich also kaum ausmachen. Wer Alan Wakes 2010er-Debüt verpasst hat (ja, ich weiß, ich schäme mich weiterhin), kommt prinzipiell nicht dem Remaster vorbei, kann mir hier für einen schlanken Taler doch einen generalüberholten Klassiker endlich sogar auch auf der PlayStation erleben. Doch auch Fans werden ausreichend Gründe finden, Bright Falls einen weiteren Besuch abzustatten. Dass ein albtraumhaftes Wiedersehen wahre Freude macht, wird hier nämlich bravourös unter Beweis gestellt – und wird ja eventuell schon bald mit einer Fortsetzungsankündigung belohnt.


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Fazit


Obwohl Remedy bei Alan Wake Remastered nicht das volle Remaster-Potenzial ausschöpft und vor allem an spielerischer und akustischer Front wichtige Nachjustierungsmöglichkeiten auf der Strecke lässt, weiß die Rückkehr des Schriftstellers zu überzeugen und präsentiert sich dabei als klare Kaufempfehlung für alte und neue Fans.


Unterm Strich hat das finnische Entwicklerstudio nämlich nur die technische Komponente des Horror-Revivals optimiert haben, schafft dabei aber dennoch einen gelungenen Sprung in die Videospielmoderne, ohne die vor über einem Jahrzehnt gefeierten Wurzeln und Stärken des Originals über Bord zu werfen. Immerhin konnten sich diese dem Zahn der Zeit problemlos erwehren, weshalb sich Kenner über einen nostalgischen Trip allererster Güte, Neueinsteiger derweil über eine herausragende Symbiose aus ebenso packender wie auch vielschichtiger Mystery-Handlung, cineastischer Inszenierung und herrlich unterhaltsamen Kampfsystem freuen dürfen.


Nun bleibt zu hoffen, dass Alan Wake Remastered die Erfolge der Ursprungsfassung wiederholen und einer längst überfälligen Fortsetzung den Veröffentlichungsweg ebnen kann. Gerüchten zufolge befindet sich diese zwar seit geraumer Zeit in Entwicklung, dennoch fehlt weiterhin eine offizielle Ankündigung seitens Remedy, die aus vagem Insider-Gerede rasant wundervolle Realität machen könnte. Und ein Ende des aus der elendig langen Warterei resultierenden Fan-Albtraums bedeuten würde. Make it happen, Remedy!

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