13 Sentinels: Aegis Rim

13 Sentinels: Aegis Rim



Ein Zeitreise-Meisterwerk erblickt das Licht der Switch-Welt


Eigentlich stand 13 Sentinels: Aegis Rim seit der Erstankündigung auf der Tokyo Game Show 2015 an oberster Stelle meiner Pflichttitelliste. Kein Wunder, sah ich das verantwortliche Entwicklerstudio Vanillaware nach Odin Sphere, Muramasa: The Demon Blade und Dragon's Crown doch als wahren Garanten für phänomenale Videospielabenteuer, die mich problemlos in ihren Bann ziehen und sich anschließend einen ewigen Platz in meiner Gaming-Erinnerung sichern konnten.


Dass ich die sehnlichst erwartete Science-Fiction-Saga fünf Jahre später dann allerdings völlig aus den Augen verlor, die Erstveröffentlichung regelrecht verpennte, lässt mein Herz bis zum heutigen Tage bluten, resultierte aber aus (zumindest meiner Meinung nach) verständlichen Gründen: nämlich der urplötzlichen Streichung der zuvor angekündigten Vita-Fassung. Freute ich mich zuvor also auf ein mobiles Visual-Novel-Erlebnis allererster Unterhaltungsgüte, wurde ich nun ersatzlos und enttäuscht zurückgelassen. Und konnte mich einfach nicht durchringen, die PS4-Variante als akzeptable Notlösung anzusehen.


Zwei Jahre später verzeihen mir Vanillaware und Publisher Atlus mein engstirniges Verhalten, bringen 13 Sentinels: Aegis Rim auf die Nintendo Switch und stellen mir damit eine wahrlich herausragende mobile Alternative zur Verfügung, mit der ich definitiv leben kann. Bleibt nur noch die Frage, ob sich die unnötig in die Länge gezogene Wartezeit schlussendlich gelohnt oder jegliche Vorfreude beim Test von niederschlagender Ernüchterung weggespült wurde. Aus dem virtuellen Sentinel-Cockpit möchte ich euch diese – und noch einige weitere Fragen – nun beantworten.


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Simple Oberfläche, komplexes Innenleben


Konzentriert man sich nur auf die elementaren Eckpfeiler der Rahmenhandlung von 13 Sentinels: Aegis Rim, lässt sich diese recht schnell zusammenfassen: Als eine außerirdische Kaiju-Armee der Erde den Kampf ansagt, wird eine Gruppe japanischer Schüler unfreiwillig zur letzten Hoffnung der Menschheit. In feinster Anime-Manier wird diese nämlich kurzerhand zu heroischen Piloten sogenannter Sentinels, gigantische Roboter mit explosiver Durchschlagskraft, und muss versuchen, die drohende Vernichtung um jeden Preis abzuwenden und die mächtigen Angreifer in die Flucht zu schlagen.


Dass ich mit dieser kurzen Umschreibung jedoch höchstens an der narrativen Oberfläche kratzte, wurde mir bereits nach wenigen Minuten schlagartig bewusst. Vanillaware stellt nämlich nicht etwa die Alien-Invasion in den Fokus, sondern nutzt diese höchstens als zentralen Knotenpunkt, an dem die nur selten vollends überschaubare Anzahl roter Fäden zusammenlaufen. Vielmehr werden komplexe Themen wie Freundschaften, Liebe, heimtückische Intrigen und sogar Zeitreisen zu einem geschmacklich vielschichtigen Story-Cocktail vermischt, der mit interessanten Charakteren, erschütternder Tragik und einer feinen Prise Humor serviert wird. Da gerät der zunächst plakativ erscheinende Kampf gegen eine unbekannte Bedrohung gelegentlich in den gedanklichen Hintergrund.


Dabei unternimmt 13 Sentinels: Aegis Rim keinerlei Bemühungen, die erschlagende Komplexität zu verbergen, sondern lebt diese zelebrierend aus. Fröhlich springe ich durch Vergangenheit, Gegenwart auf Zukunft und entzünde dabei einen Fragenherd nach dem anderen, suche zumeist jedoch vergebens nach den passenden Antworten, um diese rasant zu löschen. Eine Situation, bei der mir auch der eigentliche Handlungsaufbau jegliche Hilfestellung verwehrte, sorgte dieser vor allem während der ersten Stunden doch für die meisten Fragezeichen.


Anstatt mich nämlich gradlinig durch eine durchdachte Aneinanderreihung unterschiedlicher Kapitel zu lotsen, mir das erzählerische Gesamtbild somit also häppchenweise zu kredenzen, wird auf einen chronologischen Ablauf gepfiffen und die Entscheidung über das weitere Vorgehen vertrauensvoll in meine ahnungslosen Hände gelegt. Bei dreizehn spielbaren Sentinel-Piloten und somit dreizehn unterschiedlichen Perspektiven auf das erzählerische Bollwerk fällt dieses Unterfangen aufgrund des Fehlens klarer Indikatoren recht fordernd aus. Befinde ich mich derzeit auf einer sinnvollen Route oder würde sich das Wechseln zum Story-Zweig eines anderen Schülers lohnen? Diese Frage bleibt leider unbeantwortet, weshalb ich anfangs eine gewisse Unsicherheit nicht abschütteln konnte.


Während sich das Ganze nun recht negativ anhören mag, ist das genaue Gegenteil der Fall. Und eigentlich müsste ich bedeutend konkreter werden, fundamentale Themen stärker in den Fokus meines Tests rücken, um dem respektablen Facettenreichtum von 13 Sentinels: Aegis Rim vollends gerecht zu werden. Allerdings hat es seine Gründe, weshalb sich Vanillaware und Atlus bei allen Pressemitteilungen der Vergangenheit bedeckt gehalten und wirklich nur den altbacken klingenden Startpunkt der Geschichte aufgeführt hat. Ohne jegliches Vorwissen in diese verflochtene Welt einzutauchen birgt nämlich einen unbeschreiblichen Effekt, der Verwirrung und Überraschung grandios miteinander verknüpft und die Intensität der Wirkungsgewalt ungebrochen auf dem Maximum halten kann.



Ein Traum für Puzzle-Freunde

Dennoch war ich skeptisch, ob solch eine ehrgeizige Komplexität ohne helfende Verständnishand auf lange Sicht funktionieren konnte. Sicherlich keine unbegründete Sorge, griff 13 Sentinels: Aegis Rim doch bewusst in die Puzzleschachtel, warf mir unzählige Teile lachend mitten ins Gesicht und erwartete, dass ich diese ohne Kenntnis des finalen Motivs zusammensetzen würde. Überraschenderweise kristallisierte sich dann aber genau dieses gewagte Vorgehen als vollkommen richtige Entscheidung heraus, die für den einzigartigen Charme des Abenteuers mit Fug und Recht als hauptverantwortlich bezeichnet werden darf.


Zugegeben, ein gewisses Maß an Eigeninitiative wird zweifellos gefordert. Namen und Begriffe muss ich möglichst zuverlässig abspeichern und auch den groben Überblick über die zeitlichen Zusammenhänge behalten, um mich der stets im Schatten lauernden Konfusion erwehren zu können. Vor allem bei rasant aufeinanderfolgenden Zeitsprüngen wurde die Effektivität meiner Bemühungen dabei auf die Probe gestellt, drohten diese mich doch unliebsam aus dem Konzept zu bringen.


All diese Zeit, Ruhe und auch Geduld in 13 Sentinels: Aegis Rim zu investieren, lohnt sich jedoch. Mit dem Kampf um das Fortbestehen der menschlichen Zivilisation hat Vanillaware nämlich eine in jeglicher Hinsicht wegweisende Story erschaffen, die nicht nur in der Genre-, sondern in der gesamten Videospielgeschichte ihresgleichen sucht. Unermüdlich jongliert das Entwicklerteam mit schockierenden Wendungen, zwischenmenschlichen Beziehungen und futuristischen Zeitreisespielchen umher, räumt dabei aber all diesen Aspekten sowie der umfangreichen Galerie and Pro- und Antagonisten ausreichend Raum zur freien Entfaltung ein. Und führt diese auf der Zielgeraden gekonnt zusammen, ohne auch nur einen thematischen Ball aus dem sicheren Griff zu verlieren.


Mein eingangs gewählter Puzzle-Vergleich kommt somit nicht von ungefähr. Ohne mir einen Blick auf die Verpackung und somit auf das gewünschte Gesamtmotiv zu gewähren, überschüttet mich Vanillaware kurzerhand mit 10.000 Teilen und wünscht mir beim Herumlaborieren viel Erfolg. Und obwohl mich vor allem der Anfang gerne an den Rand des Wahnsinns treibt, ich mich von Ecke zu Ecke durcharbeite, um zumindest Teilerfolge zu erleben, nehme ich zunehmend an Fahrt auf, lässt sich mit jedem eingesetzten Baustein doch tatsächlich ein Bild erkennen. Sobald das letzte Stück eingesetzt ist, ich auf die lange Reise zurückblicke und mir stolz auf die Schulter klopfe, kann ich mich eines zufriedenen Wow-Ausrufs kaum erwehren. Eine Erfahrung, die perfekt auf 13 Sentinels: Aegis Rim zutrifft.



Wortgewandtheit zahlt sich aus


Neben der Handlung verzichtet 13 Sentinels: Aegis Rim auch bei der grundlegenden Gameplay-Struktur auf einen linearen Aufbau und unterteilt des Geschehen lieber in drei Bereiche, zwischen denen ich nach Belieben wechseln darf. Dreh- und Angelpunkt stellt hierbei das „Abenteuer“ dar, in dem ich per Knopfdruck einen der dreizehn Hauptcharaktere auswähle und den nebulösen Plot aus der jeweiligen Perspektive vorantreibe.


Spielerische Unterschiede gibt es dabei keine: Ich bewege mich mit allen Helden durch verschiedene 2D-Schauplätze, interagiere mit der Umgebung und spreche mit anwesenden Personen, um wichtige Stichwörter zu sammeln. Diese darf ich in meinen Gedanken ordnen, näher analysieren und bei Gesprächen gezielt nutzen, um weitere Konversationszweige zu öffnen. Vanillaware verknüpft typische Visual-Novel-Kost also erstklassig mit kleineren Rätseleinlagen, muss ich mir einige Themen bisweilen doch tatsächlich in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und bereits abgegraste Dialoge erneut durchgehen, um einer temporären Sackgasse zu entfliehen.


Gänzlich allein lässt mich Vanillaware auf dieser Reise dann doch nicht. Per Knopfdruck darf ich nämlich jederzeit eine Kapitelübersicht aufrufen, die mir nicht nur meinen derzeitigen Fortschritt, sondern auch mögliche Handlungsabzweigungen sowie die dafür erforderlichen Begriffe veranschaulicht. Und wenn ich den Absprung in neue narrative Gefilde dann doch verpasse und das Kapitel erneut beginnen muss, beschleunige ich das Geschehen per R-Taste um ein Vielfaches und überspringe langwierige, da bereits bekannte Dialoge direkt, um zum schneller zum gewünschten Zeitpunkt zu gelangen.


Zwei kluge Schachzüge, die jeglichen Frustaufbau im Keim ersticken und garantieren, dass mein Vorankommen niemals völlig ausgebremst wurde. Zugleich treibt mich 13 Sentinels: Aegis Rim dadurch an, weckt in mir durch das Freischalten neuer Begriffe direkt den Wunsch, erneut in das Abenteuer zu springen und zu schauen, welche neuen Pfade ich damit beschreiten, welche verborgenen Wahrheiten enthüllen kann. Vor allem Freunde spannender, wendungsreicher Slot sollten sich also auf einige schlaflose Gaming-Nächte vorbereiten.



Explosive Kaiju-Dezimierung


Im „Kampf“-Bereich hänge ich meine verbalen Sprachkünste temporär an den Nagel und setze mich stattdessen ins Sentinel-Cockpit, um fiese Kaiju nach allen Regeln der Mecha-Kunst zu pulverisieren. Dabei muss ich meine kämpferischen Fähigkeiten in taktischen Top-Down-Schlachten unter Beweis stellen, die in feinster Real-Time-Strategy-Manier abgehalten werden.


Vor jedem Gefecht stelle ich aus den dreizehn Piloten ein sechsköpfiges Einsatzteam zusammen, das sich auf einer Stadtkarte nicht nur gegnerischen Einheiten in den Weg stellen, sondern zugleich auch die Bevölkerung und das energiegeladene Terminal beschützen muss. Hierbei darf ich zum Glück mit Maschinengewehren, Lasern, Raketen oder einfach nur meinen Robo-Fäusten auf ein stattliches Angriffsrepertoire zurückgreifen und je nach strategischer Notwendigkeit zwischen Nah- und Fernkampfmanövern umschalten.


Ins Schwitzen komme ich bei diesen mitunter chaotischen Auseinandersetzung allerdings nur selten, stellen die Monsterhorden doch selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad keine wirkliche Bedrohung dar. Sicherlich wird eine kurze Unachtsamkeit gerne bestraft, meine defensiven Bemühungen dadurch gnadenlos zerschlagen und das überlebenswichtige Terminal in Mitleidenschaft gezogen, ein schneller Neustart, aktivierte Konzentrationsreserven und das unaufhörliche Abfeuern eines zerstörerischen Raketenregens beheben aber auch solche Problemstellungen. Und sorgen dafür, dass ich den glorreichen Sieg schneller als gedacht einfahren darf.


Dieser monierte Mangel an wahren Herausforderungen lässt sich hauptsächlich auf die vielfältigen Verbesserungsmöglichkeiten zurückzuführen. Mit Meta-Chips darf ich nämlich alle Sentinels und auch das Terminal mit brandneuen Waffen- und Verteidigungssystemen ausstatten, vorhandene Ausrüstungselemente zudem gezielt verstärken. Auch gesammelte Erfahrungspunkte spielen logischerweise eine wichtige Rolle, verhelfen sie meinen Piloten doch früher oder später zum Stufenanstieg und damit zur Optimierung ihrer wichtigsten Attribute. Daraus resultiert ein unterhaltsamer Upgrade-Wahn, der mich aber leider viel zu schnell zur unaufhaltsamen Übermacht verwandelt und damit den Hauptkritikpunkt des „Kampf“-Bereichs unliebsam festigt.


Dass 13 Sentinels: Aegis Rim hier trotz kaum fordernder Kaiju-Gegenwehr nicht in eine einschläfernde Langeweile abdriftet, ist primär einer kurzweiligen Highscore-Jagd zu verdanken. Stellen sich meine strategischen Schachzüge nämlich als voller Erfolg heraus, kassiere ich in unterschiedlichen Kategorien Bestwertungen, die addiert ein Abschlussranking ergeben – und natürlich wollte ich mir die ultimative S-Auszeichnung verdienen! Dementsprechend zwangen mich bereits kleinste Fehler zur Wiederholung der aktuellen Schlacht und zu Feinjustierungen meines Vorgehens, um kämpferische Perfektion abzuliefern.


Dessen ungeachtet wirken die RTS-Duelle vor allem aufgrund einer gewissen Abwechslungsarmut eher wie ein nettes Beiwerk, das mir die Möglichkeit geben soll, meinem Gehirn zwischen den Visual-Novel-Abschnitten eine kurze Pause zu gönnen und es für die kommenden Worttüfteleien durchzulüften. Und obwohl Vanillaware diese Unzulänglichkeiten mit einigen dekorativen Elementen geringfügig kaschiert hat, kann aber dennoch nur selten an die Faszination des „Abenteuer“-Parts anknüpfen.



Chroniken eines unermüdlichen Zukunftsdetektivs


Im „Archiv“ tragen all meine Bemühungen, Licht in das erzählerische Dunkel von 13 Sentinels: Aegis Rim dann schlussendlich Früchte. In diesem Bereich darf ich nämlich nicht nur bereits erlebte Passagen in chronologischer Reihenfolge anschauen, sondern erhalte zudem noch Zugriff auf zusätzliche Dokumente, die wichtige Charaktere, Orte und Begrifflichkeiten näher erläutern.


Leider steht mir der prall gefüllte Aktenschrank voller Geheimnisse nicht direkt offen, sondern muss durch das erfolgreiche Absolvieren von „Abenteuer“-Kapiteln und „Kampf“-Bonuszielen zunächst nach und nach freigeschaltet werden. Einige Zusatzinformationen werden sogar nur im Austausch mit Mysterienpunkte zugänglich gemacht, die ich durch das Dezimieren gegnerischer Angriffswellen erhalte. Wollt ihr also wirklich alle Wahrheit aufdecken und vor allem anfangs allgegenwärtige Fragezeichen möglichst effektiv von der Verständnistafel entfernen, ist ein regelmäßiger Besuch aller Gameplay-Abschnitte unverzichtbar.


An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass das Auswahlmenü zwar eine klare Trennung der spielerischen Bereiche suggeriert, diese allerdings eng miteinander verzahnt sind und somit unterm Strich ein in sich geschlossenes Gebilde ergeben. Rasant die gesamte Geschichte meines favorisierten Helden erleben oder alle verfügbaren Gefechte am Stück zu erledigen? Leider unmöglich, wird mein Voranschreiten in eine gewünschte Richtung doch früher oder später temporär gestoppt und erst nach dem Erfüllen bestimmter Vorgaben wieder genehmigt. Dadurch werde ich eingeladen (beziehungsweise freundlich dazu gezwungen), auch andere Figuren kennenzulernen, unerforschte Handlungslücken zu füllen oder bei einer bereits gefochtenen Schlacht nach der Bestwertung zu greifen.


Im ersten Moment mag das Ganze ermüdend klingen, erweist sich in der Praxis jedoch als unglaublich spannendes Unterfangen, das den Detektiv in mir weckte und mich sogar dazu bewegte, besondere Entdeckungen, Einfälle und Theorien in ein Notizbuch zu schreiben. Durch das Durchforsten des Archivs, Zusammensetzen aufgelesener Puzzleteile und Freischalten völlig neuer Pfade brachte ich dann nicht nur langsam ein wenig Ordnung in das konfuse Wirrwarr, sondern erlebte zugleich herrliche Erfolgsmomente, die mich regelrecht anspornten, weitere Geheimnisse aufzudecken. Es entsteht ein beachtlicher Motivationskreislauf, der zu keinem Zeitpunkt ins Stocken geriet, in Richtung Finale sogar eher an Wirkungskraft dazugewann und unterstrich, dass bei der Konzeptionierung der wichtigsten Gameplaysäulen von 13 Sentinels: Aegis Rim ausreichend Zeit investiert wurde.



Malerische Weltenrettung


Überhaupt ist es Vanillaware spür- und sichtbarer Leidenschaft beim Entwicklungsprozess zu verdanken, dass sich ein fast schon überambitioniertes Mammutwerk wie 13 Sentinels: Aegis Rim trotz einer Vielzahl potenzieller Verwirrungsfallstricke bis zur Zielgeraden keinerlei Ausrutscher erlaubt und dabei genauestens auf eine schlüssige Erklärung jeglicher schockierender Enthüllungen achtet, wodurch das fulminante Finale fast alle aufgeworfenen Fragen zufriedenstellend beantworten und mich strahlend, aber auch ein wenig überwältigt in Richtung Abspann entlassen kann.


Dass ich mich auf dem Weg dorthin durchweg wohlfühle ist allerdings nicht nur der herausragenden Handlung, sondern auch der wundervollen Präsentation zu verdanken, der ebenfalls ausreichend Aufmerksamkeit zuteilwurde. Allein die entzückenden 2D-Kulissen und Charaktermodelle wissen mit ihren malerischen Details zu gefallen und erwecken kombiniert häufig den Eindruck, als würde ein faszinierendes Anime-Kunstwerk zum Leben erwachen. Zwar lassen actionreiche Momente dabei eine gewisse Dynamik vermissen, während einige hölzerne Animationen unschön aus der Reihe tanzen, dem enorm positiven Gesamteindruck werden dadurch allerdings höchstens marginale Mikrokratzer verpasst, die rasant in Vergessenheit geraten.


Derweil erschafft Komponist Hitoshi Sakimoto (der nicht nur die musikalische Begleitung der eingangs erwähnten Vanillaware-Titel übernahm, sondern auch namhaften Klassikern wie Final Fantasy Tactics, Final Fantasy XII oder der Valkyria Chronicles-Reihe seinen schöpferischen Stempel aufdrückte) einen überwältigenden, da unglaublich facettenreichen Soundtrack, der die sprunghafte Natur der futuristischen Geschichte bravourös verinnerlicht und sich dieser hervorragend anpasst. Gelegentlich verweilte ich bewusst im Moment, legte eine kurze Weltrettungspause ein und lehnte mich zurück, um einer liebevollen Melodie zu lauschen. Eine Magie, die ich in dieser Form nur sehr selten erlebe.


Elegant abgerundet wird der akustische Part von einer nicht minder beeindruckenden Sprecherriege, die mich zeitweise sogar in ein moralisches Dilemma stürzte. Bevorzuge ich nämlich tendenziell immer die japanische Sprachfassung, fiel mir die Entscheidung aufgrund einer qualitativ auf Augenhöhe liegenden englischen Variante ungemein schwer. Alle Sprecher glänzen mit einer vortrefflichen Leistung, sprechen selbst nebensächliche Dialogzeilen voller Überzeugung und emotionaler Stärke ein und sorgen dafür, dass ich mich den Protagonisten noch näher fühle. Dass meine Wahl nach langen Überlegungen auf das Original fiel, hatte ausschließlich atmosphärische Gründe: Wenn ich japanischen Schülern durch ein japanisches Szenario begleite, fühlt sich die japanische Sprache einfach glaubhafter an. Sofern euch solche Faktoren nicht interessieren, sei euch auch die englische Option wärmstens empfohlen.


Lange Rede, kurzer Sinn: 13 Sentinels: Aegis Rim überzeugt an allen Fronten, lässt dadurch spielerischer sowie audiovisueller Redundanz keinerlei Raum und stellt sicher, dass das außerordentlich hohe Niveau sogar in vergleichsweise schwächeren Phasen zuverlässig gehalten wird. Erfreulicherweise erweist sich der Sprung auf die Nintendo Switch dabei nicht als liebloser Cashgrab, sondern als folgerichtige Entscheidung, die den anhaltenden Schmerz der verpufften Vita-Version (ja, der Stachel sitzt tief!) lindert und der einzigartigen Erzählstruktur zugleich ein perfektes Zuhause bietet, um sich vollends zu entfalten.


Zu guter Letzt bleibt zu hoffen, dass Vanillaware aus dieser Situation zwei wichtige Lektionen gelernt hat. Dass sich das Sprengen festgefahrener Genre-Konventionen beim Entwickeln eines ambitionierten Sci-Fi-Abenteuers ohne jede Frage lohnt. Und dass eine Handheld-Fassung in Zukunft die interne Prioritätenliste anführen und nicht erst nach zwei Jahren als verspäteter Nachzügler folgen sollte. Neben einem gesteigerten Impact zur Erstveröffentlichung unterstützt mit damit nämlich vor allem mobile Gaming-Freunde, die nach eine endlos erscheinenden Wartezeit endlich in den Genuss eines gefeierten Videospielabenteuers kommen durften – und solch ein nervenaufreibendes Szenario so schnell nicht nochmal erleben möchten.


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Fazit


Mit 13 Sentinels: Aegis Rim hat Entwicklerstudio Vanillaware ein Meisterwerk geschaffen, das allein für seinen ambitionierten Plot zweifellos in die Videospielgeschichte eingehen wird. Hinter einer recht simpel anmutenden Kaiju-Invasion verbirgt sich nämlich ein unglaublich vielschichtiges Handlungsgeflecht, das mich ohne Rücksicht auf Verluste mit facettenreichen Helden, futuristischen Begriffen, verwirrenden Zeitreisen sowie vielen weiteren, komplexen Themen bombardiert und mich mit einem dynamischen Ablauf dazu einlädt, all diese Bausteine in Eigenregie zu einem verständlichen Gesamtbild zusammenzubauen.


Eine Strategie, die in der Praxis vollends aufgeht. Fiel der Beginn des Abenteuers noch recht verwirrend aus, brachte ich mich mit zunehmender Spieldauer immer mehr Licht ins Dunkel und konnte die Wirkungsgewalt schockierender Wendungen und enthüllter Wahrheiten durch meine eigene Detektivarbeit und das daraus resultierende Erfolgsgefühl doch ungemein intensivieren. Kombiniert mit einer malerischen Optik, einem wundervollen Soundtrack, starken Sprecherleistungen in der englischen und japanischen Sprachfassung sowie einem enorm kurzweiligen Real-Time-Strategy-Part mit vielen Upgrade-Möglichkeiten ergibt sich ein unvergleichliches Erlebnis, das regelrecht für die Nintendo Switch geschaffen wurde.


Dementsprechend kommen Anime-, Sci-Fi- und Visual-Novel-Fans an Sentinels: Aegis Rim nicht vorbei und müssen spätestens mit der Port-Veröffentlichung in den virtuellen Sentinel steigen. Doch auch alle anderen Switch-Besitzer sollten beim Geheimtipp (und für viele PS4-Besitzer sicherlich auch Videospiel) des Jahres 2020 einen Blick riskieren und Zeuge einer narrativen Meisterleistung werden, mit der Vanillaware die Messlatte für zukünftige Titel enorm hoch gehangen hat – aber auch diese Herausforderung sicherlich spielend meistern und die Gaming-Community sicherlich auch in Zukunft zu neuen gedanklichen Höchstleistungen animieren wird.

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