World’s End Club

World’s End Club



Gemeinsam bis ans Ende dieser Welt.


Die Meldung, dass Danganronpa-Mastermind Kazutaka Kodaka und Zero Escape-Schöpfer Kotaro Uchikoshi die namhafte Videospielschmiede Spike Chunsoft 2017 verlassen würden, traf Fans mitten ins Herz. Zum Glück sorgten die beiden Gaming-Genies mit der Gründung des gemeinsamen Studios Too Kyo Games bereits nach kurzer Zeit für willkommene Schmerzlinderung – und weckten die Hoffnungen auf bald folgende Neukreationen und potenzielle Highlights.


2020 war es dann endlich soweit! Das zuvor unter dem Namen Death March Club angekündigte World’s End Club erblickte auf dem ungewohnten Apple-Arcade-Veröffentlichungsweg das Licht der Welt und kassierte dank altbekannter Stärken solide Wertungen, die allerdings eine gravierende Schwachstelle monierten: Einen ohne Vorwarnung einsetzenden Cliffhanger, dessen Auflösung Kodaka und Uchikoshi mit der später folgenden, vollständigen Switch-Fassung versprachen.


Knapp ein Jahr später lösen die beiden japanischen Videospielgrößen ihr Versprechen nun ein und veröffentlichen das turbulente Abenteuer des Go-Getters-Clubs auch für Nintendos Konsole. Doch hat sich das Warten überhaupt gelohnt? Und dürfen sich Fans tatsächlich auf das geliebte Danganronpa- und Zero Escape-Feeling freuen? Fragen, die ich euch in meinem Test beantworten möchte.


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Eine Klassenfahrt wird zum Horrortrip


Eine Klassenfahrt nach Kamakura? Definitiv DAS Highlight des gesamten Jahres! Ein Statement, dass die zwölfköpfige Schülerbande namens Go-Getters-Club zu Beginn ihrer Reise blindlings unterschrieben hätten. Doch urplötzlich macht der wuchtige Einschlag eines gigantischen Meteoriten dem fröhlichen Treiben ein jähes Ende.


Anstatt dem katastrophalen Ereignis mitsamt seinen vernichtenden Folgen zum Opfer zu fallen, erwachen die Freunde rund um den Protagonisten Reycho inmitten eines verlassenen und in Vergessenheit geratenen Unterwasser-Themenparks. Eine rettende Zuflucht? Im Gegenteil, immerhin läutet das Auftauchen des mysteriösen Maskottchens Pielope ein erbittertes Schicksalsspiel ein, das die Gruppe direkt wieder in Lebensgefahr bringt – und die Freundschaft auf eine harte Probe stellt.


Doch was der Go-Getters-Club zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Die gefährliche Konfrontation mit Pielope stellt nur den Beginn ihres epischen Abenteuers dar. Schnell müssen sie nämlich feststellen, dass sie sich nicht mehr in Tokio, sondern im über 1.000 Kilometer entfernten Kagoshima befinden. Ihnen also eine anstrengende Wanderung durch ein in Trümmern liegendes Japan bevorsteht, die nur mit Teamwork und Zusammenhalt zu bewältigen ist...



Alle Tasten der emotionalen Freundschaftsklaviatur


Eine zerstörte Welt, ein gnadenloses Überlebensspiel, ein auf den ersten Blick putziges, auf den zweiten jedoch bitterböses Wunderwesen: Mit Fans nur allzu bekannten Handlungselementen scheint World’s End Club zunächst direkt in die Fußstapfen von Danganronpa und Zero Escape treten zu wollen – wählt aber bereits während des Intros eine alternative Tonalitätsroute, die rasant zur erzählerischen Kehrtwende wird.


Blutige Gewaltspitzen, stetes Unbehagen und eine düstere Atmosphäre weichen einer lockeren, oftmals sogar unschuldig-humoristischen Grundstimmung, die man nicht zuletzt wegen der jungen Charakterriege als kindgerecht bezeichnen darf. Häufig fühlte ich mich an einen kunterbunten Cartoon erinnert, in dem beste Freunde durch dick und dünn gehen, selbst im Angesicht sicheren Verderbens tapfer zusammenhalten müssen, um über sich selbst hinauswachsen und jegliche Gefahr gemeinsam bewältigen zu können.


Dennoch lassen es sich Kotaro Uchikoshi und Kazutaka Kodaka nicht nehmen, dem Ganzen durch ernsthafte Themen und dramatische Situationen einen willkommenen Facettenreichtum zu verpassen, mich damit auf eine emotionale Achterbahn zu entführen, die verrückter kaum ausfallen könnte. Erwarte ich anfangs noch puren Horror, treffe ich stattdessen auf Humor, der dann jedoch in Trauer, schlussendlich sogar in einer herzerwärmenden Passage mündet.


Natürlich dürfen obligatorische Wendungen ebenfalls nicht fehlen – und auch bei World’s End Club stellen sie das Geschehen gerne schonungslos auf den Kopf, geben narrativer Langeweile somit keine Chance. Einige wenige Enthüllungen landen zwar keinen Vortreffer,gestalten sich vor allem für pfiffige Story-Füchse als recht vorhersehbar, insgesamt behalten die wahrhaftigen Schockmomente aber klar die Überhand und garantieren einen stets motivierenden Handlungsmarsch gen Tokio.



Weicher Charakterkern hinter simpler Klischee-Hülle


Bereits in dieser Form würde sich World’s End Club als vortreffliche, da durchweg enorm spannende Visual Novel präsentieren, rundet die lange Liste beeindruckender Genre-Stärke dann allerdings mit dem eigentlichen Highlight fulminant ab: Dem Go-Getters-Club!


Dieser stellt den Dreh- und Angelpunkt, das existenzielle Herzstück des dichten Story-Geflechts dar – und kann diese Rolle erstklassig erfüllen! Dabei wirken die einzelnen Mitglieder zunächst recht eindimensional, scheinen per Klischee-Schablone kreiert worden zu sein und somit gemütlich in Richtung einer entwicklungstechnischen Sackgasse zuzusteuern. Erfreulicherweise erfolgt aber auch hier der scharfe U-Turn.


World’s End Club gibt Anführer Reycho, Vanilla, Pochi und Co. ausreichend Möglichkeiten, sich vollends zu entfalten, stellt die eigentliche Rahmenhandlung hierfür kurzzeitig in den Hintergrund, um dem illustren Cast das gesamte Rampenlicht zu schenken. Dadurch erfahre ich mehr über meine virtuellen Begleiter, darf einen Blick in ihre teils überraschend komplexe Gedankenwelten werfen und sie somit noch schneller in mein Herz schließen.


Allerdings ist dieser Umstand auch der gelungenen Charakterdarstellung zu verdanken. Sicherlich fallen einige Go-Getters mit ihrer abgedrehten Art vollkommen aus der Reihe, drohen dabei vereinzelt sogar den Bogen des Erträglichen zu überspannen, können sich jedoch im letzten Moment fangen und in puncto Glaubwürdig- und Menschlichkeit mit den Kollegen aufschließen.


Uchikosi und Kodaka geben sich mit meiner Rolle des passiven Beobachters nicht zufrieden, sondern möchten mich mit dem liebenswürdigen Charme der zwölf Freunde vielmehr dazu einzuladen, ebenfalls ein Mitglied zu werden, mit stärker in die Gemeinschaft einzufühlen. Vorhaben geglückt! Denn nach Erreichen des Abspanns musste ich beim erzwungenen Abschied vom Go-Getters-Club tatsächlich eine kleine Träne verdrücken.



Meine Suche nach einer Herausforderung


Der zweiten (und zum Glück deutlich kleineren) Gameplay-Säule von World’s End Club musste ich derweil nicht nachweinen. Dabei klang die Positionierung als 2D-Sidescroller mit Sprung-, Rätsel- und sogar einigen Kampfeinlagen zunächst recht vielversprechend, garantierte mir zwischen den von ausschweifenden Textwellen bestimmten Visual-Novel-Blöcken willkommene Abwechslung. In der Praxis erwarten mich hingegen vorherrschende Oberflächlichkeit und Simplizität, die zu keinem Zeitpunkt spürbar aufgebrochen werden können.


Ansatzweise fordernde Hüpfpassagen? Suche ich leider vergebens. Nennenswerte Kombinationsaufgaben? Fehlanzeige, könnte der korrekte Lösungsweg doch kaum offensichtlicher ausfallen. Mein gradliniger Weg vom linken zum rechten Bildschirmrand fällt folglich recht trist, da anspruchslos aus, woran auch (nicht sonderlich gut) versteckte Sammelgegenstände wenig ändern können.


Damit ich nicht gänzlich im Meer der Monotonie versinke, reicht mir der Go-Getters-Club eine rettende Hand in Form der individuellen Spezialfähigkeiten der einzelnen Mitglieder. Diese darf ich zum gezielten Manipulieren der Spielwelt einsetzen, um beispielsweise erhöhte Plattformen zu erreichen, weit entfernte Schalter zu aktivieren oder gefährliche Hindernisse unbeschadet zu passieren. Eure grauen Zellen müsst ihr zum erfolgreichen Absolvieren dieser Aufgaben allerdings nicht aktivieren.


Bedauerlicherweise lässt sich bei den gelegentlichen Bosskämpfen ein ähnliches Fazit ziehen. Scheinen die Duelle gegen angriffslustige Kontrahenten nämlich zunächst Auflockerung und Herausforderung zu versprechen, stellen sie sich durch eine simple Strategie und kaum vorhandener Gegenwehr als ermüdendes Kinderspiel heraus, das selbst auf einer höheren Schwierigkeitsstufe keine Rede wert ist.


Hardcore-Fans der spirituellen Vorgänger mögen sich nun schützend vor den World’s End Club stellen, galt die zusätzliche Gameplaykomponente doch bereits in der Vergangenheit eher als netter, letztlich jedoch nebensächlicher Zeitvertreib zur im Mittelpunkt stehenden Visual-Novel-Show. Dass meine spielerischen Fähigkeiten dabei allerdings überhaupt nicht benötigt werden, ich regelrecht zur nächsten Zwischensequenz durchgewinkt werde, ist aber dennoch ein wenig enttäuschend.



Starke Stimmen für kunterbunte Helden


Ähnlich enttäuschend war die Erkenntnis, dass sich nicht Danganronpa-Komponist und Too Kyo Games-Gründungsmitglied Masafumi Takada, sondern sein musikalischer Partner Jun Fukuda – hauptsächlich für seine Arbeit an No More Heroes und God Hand bekannt – für den Soundtrack von World’s End Club verantwortlich zeigte. Eine fatale Vorverurteilung, verpasste mir Fukuda doch binnen weniger Minuten nicht nur den ersten Ohrwurm, sondern verwandelte meine anfängliche Ernüchterung zudem spielend leicht in lautstarke Begeisterung.


Mit seinen vielfältigen Kompositionen passt sich der japanische Künstler der handlungstechnischen Komplexität nämlich elegant an, erschafft trotz einer akustischen Diversität aber ein einheitliches und in sich geschlossenes Klangpaket, das sich im Laufe des gesamten Abenteuers als zuverlässiger Begleiter erweist. Und mich zum regelmäßigen Mitpfeifen animiert.


Derweil präsentieren sich die japanische und auch die englische Sprachausgabe als qualitativ ebenbürtig, hat man sich beim Casting der passenden Sprecher doch eindeutig Mühe gegeben. Dementsprechend kann sich das Endresultat auch hören lassen: Alle Mitglieder des Go-Getters-Club punkten in beiden Tonspuren mit emotionsgeladenen, starken Stimmen, die sich nur selten Betonungsausrutscher erlauben, dafür umso öfter mit beachtlichen Leistungen glänzen. Umso erfreulicher, dass diese stimmliche Power dank einer aufwendigen Vollvertonung auch bei unwichtig erscheinenden Dialogen zur Geltung kommt.


Zum Glück lässt sich der grafische Aspekt von der enorm hoch hängenden Messlatte nicht abschrecken und feuert ungehemmt aus allen kreativen Rohren. Somit darf ich mich über herrlich kunterbunte, mit charakteristischen Besonderheiten ausgestattete Modelle der einzelnen Club-Mitglieder freuen, die bisweilen unter schwächelnden Animationen leiden, dieses marginale Manko durch eine schillernde Farbvielfalt und einen einzigartigen Charme allerdings ohne Weiteres kaschieren kann. Obendrein sorgen auch die unterschiedlichen Schauplätze mit liebevoll eingeflochtenen Details für optische Varianz, machen visuelle Langweile also endgültig zur Unmöglichkeit.


All die technischen Stärken greifen bei World’s End Club vortrefflich ineinander, unterstützen sich gekonnt gegenseitig und stellen dadurch kombiniert eine unglaublich dichte, dabei durch unterschiedliche Elemente angenehm abwechslungsreiche Atmosphäre auf die Beine, der man sich nur schwer entziehen kann. Ein magischer Bann, den man in dieser Form bereits von Danganronpa und Zero Escape kennen dürfte.



Empfehlenswerter Visual-Novel-Blick


Um das volle Potenzial entfalten, den Spieler gänzlich in seinen Bann ziehen zu können, muss World’s End Club unbedingt als Visual-Novel betrachtet werden. Farbenfrohe Optik, phänomenaler Sound und eine in vielerlei Hinsicht spannende Handlung bilden kombiniert nämlich eine stabile Genre-Bühne, die den Go-Getters-Club zuverlässig zum fulminanten Finale tragen.


Dass Kazutaka Kodaka und Kotaro Uchikoshi in puncto Gameplay keine Innovationsmonster sind, bereits in der Vergangenheit vermehrt auf simple Elemente setzten und diesen höchstens einen kreativen Pfiff verliehen, mag natürlich bekannt sein. Danganronpa und Zero Escapeschafften es aber zumindest, der spielerischen Unauffälligkeit durch eine gewisse Herausforderung eine Daseinsberechtigung zu verpassen, drohende Langeweile somit gekonnt über Bord zu werfen.


Solche Entscheidungen hätten bei World’s End Club wahre Wunder gewirkt. Blickte ich bei Danganronpa einer Gerichtsverhandlung noch freudig entgegen, konnte bei Zero Escape die Rätselhürden des nächsten verschlossenen Raums kaum erwarten, begegnete ich hier jeder neuen Sidescroller-Passage mit einer gewissen Skepsis – und wurde durch ermüdende Anspruchslosigkeit nur selten vom Gegenteil überzeugt.


Wie so oft in der weiten Visual-Novel-Welt kommt man an einer Justierung der eigenen Erwartungshaltung also kaum vorbei, wenn man das Abenteuer der zwölfköpfigen Bande in vollen Zügen genießen will. Konzentriert man sich nämlich bewusst auf die vielschichtige Handlung mit all ihren erzählerischen und inszenatorischen Stärken und schiebt den spielerischen Aspekt bewusst in den gedanklichen Hintergrund, ist man auf World’s End Club bestens vorbereitet.


Fällt einem diese Einstellung schwer, sollte man dieses Freundschaftsangebot lieber ablehnen – oder vorher einen Blick in die kostenlose Demo werfen, die im Nintendo eShop weiterhin zur Verfügung steht.


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Fazit


Mit World’s End Club beweisen Kazutaka Kodaka und Kotaro Uchikoshi eindrucksvoll, dass sie auch ohne Monokuma und fluchtsichere Todesräume fesselnde Geschichten erzählen können. Und lassen mich den Go-Getters-Club auf eine abenteuerliche Reise durch das zerstörte Japan begleiten, die mich dank facettenreicher Helden, unerwartet ernsthafter Themenkomplexe und (bis auf einige wenige Ausnahmen) durchweg überraschender Wendungen bis zum Abspann bestens unterhalten konnte.


Leider fällt die spielerische Komponente im direkten Vergleich stark ab, mag dank einer auf dem Papier abwechslungsreich klingenden Gameplay-Mischung recht spannend klingen, entpuppt sich in der Praxis jedoch als Paradebeispiel für anspruchslose Simplizität, die sogar unerfahrene Gamer langweilt. Schade, hätten sich komplexe Rätsel und fordernde Bosskämpfe für dieses postapokalyptische Szenario doch hervorragend geeignet.


All diese Elemente spielen aber bewusst die zweite Geige, denn World’s End Club ist in erster Linie eine packende Visual-Novel – und ist sich dieser Tatsache auch eindeutig bewusst, macht also kein Geheimnis daraus. Zum Glück, immerhin scheinen sich Kodaka und Uchikoshi in diesem Genre besonders wohlzufühlen und präsentieren somit trotz aller unbestreitbarer Schwächen ein grandioses Abenteuer, das nicht nur Danganronpa- und Zero Escape-Fans, sondern auch Freunde packender Stories begeistern dürfte. Spielerischen Anspruch sollte vorher allerdings dringend vom eigenen Erwartungshorizont gestrichen werden.

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