Herrliches Inselabenteuer mit dem ikonischen Klempner-Duo.
Manchmal gleicht das Leben als Nintendo-Fan einer regelrechten Achterbahnfahrt der Gefühle. Aktuelles Beispiel: Der Umgang des japanischen Videospielherstellers mit der herrlich amüsanten Mario & Luigi-Reihe. Denn seit der Veröffentlichung des auf den Namen Superstar Saga getauften Gameboy-Advance-Startschuss in 2003 garantierte mir die Handheld-Reihe über insgesamt fünf Abenteuer hinweg feinste Rollenspiel-Unterhaltung und lockerte mit kreativen Handlungs- und Gameplayeinfällen zudem zuverlässig die relativ festen Weichen der gesamten Serie auf. Doch 2015 war mit Paper Jam für den 3DS urplötzlich Schluss – und abseits der Remakes zweier älterer Titel schien Nintendo die Reihe ohne Nennung näherer Beweggründe auf ewig begraben zu haben.
Nach einer längeren Trauerphase setzte bei mir dann endlich die Akzeptanz ein, bekam ich doch immerhin ausreichend Alternativerlebnisse präsentiert, um das entstandene Vergnügungsloch zufriedenstellend zu kitten. Urplötzlich folgte dann aber wieder der emotionale Aufschwung, eine Ankündigung, die die Trauer-und-Akzeptanz-Trilogie mit strahlender Hoffnung elegant abschließen sollte: Scheinbar sollte das ikonische Klempner-Duo nur eine kurze RPG-Verschnaufpause verpasst bekommen, um Ende 2024 mit Mario & Luigi: Brothership auf der Nintendo Switch ordentlich durchstarten zu können. Wahoo!
Kein Wunder also, dass ich mich voller Vorfreude direkt an meine Konsole geklemmt und mich ohne langwierige Überlegungen an der Seite der beiden Helden in eine völlig neue Reise gestürzt habe, um abermals zum glorreichen Weltenretter zu avancieren. Doch ob die lange Zwangspause der Reihe tatsächlich gutgetan hat oder beim forcierten Revitalisierungsprozess Begeisterung und Brillanz der fernen Vergangenheit abhandengekommen sind, möchte ich euch mit einem lachenden sowie einem weinenden Auge im Test verraten.
Was tun, wenn die Prinzessin nicht entführt wurde?
Zwickt mich, denn ich glaub, ich träume! Keine entführte Prinzessin Peach? Kein lautstark herumwütender Bowser? Kein bedrohtes Pilz-Königreich? Was ist denn bei Nintendo und Entwicklerstudio Acquire los? Anstatt sich wie gewohnt durch die altbekannte Franchise-Checkliste durchzuarbeiten, werden Mario und Luigi zu Beginn ihres neuen Abenteuers ohne ausschweifendes Intro-Geplänkel in die Welt von Konektania katapultiert, wo sie mit ihrem ausgeprägten Helferdrang abermals als Retter in der Not auftreten müssen. Denn der einst mächtige Baum Konektarbor, der für den Zusammenhalt des strahlenden Reichs verantwortlich war, kann seiner Aufgabe nach einem unvorhergesehenen Energieverlusts nicht mehr nachkommen. Die tragische Folge: Kontektania ist komplett auseinandergebrochen und gleicht nun einem unübersichtlichen Insel-Sammelsurium.
Das junge Mädchen Connetta möchte sich mit diesem Ich-Zustand jedoch nicht anfreunden, funktioniert ihre Insel Kapitarbora kurzerhand zum Schiff um und tuckert durch das weite Meer, um die zahlreichen Gebiete wieder zu vereinen. Leider reichen liebe Gedanken und monumentale Kreuzfahrten nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen, weshalb Connetta einfach ihren neuen Konektarbor heranwachsen und diesen mit den Verbindungskabeln der Inseln verknüpfen möchte. Keine leichte Mission, weshalb ein aufgewecktes Brüder-Duo mit ausreichend Abenteuerlust und kämpferischem Know-how wie gerufen kommen.
Selbstverständlich können Mario und Luigi solch ein Hilfegesuch nicht ignorieren und machen sich auf dem Weg, um die Zerstörungsuhr zurückzudrehen und die friedliche Einheit Konektanias wiederherzustellen. Grundsätzlich bekommen Fans handlungstechnisch also das kleine ABC der RPG-Schule serviert, das insgesamt relativ gradlinig ausfällt und somit kaum auf nennenswerte Highlights sowie unerwartete Wendungen zurückgreift. Dank liebenswerter Charaktere und verschiedenen Schauplätzen, die allesamt ihre eigenen, teils leicht emotionalen Geschichten vorzuweisen haben, wird trister 0815-Standard dennoch gekonnt vermieden, ein erzählerisches Fundament geschaffen, dass das wuchtige Motivationswerk spielend leicht tragen kann.
Hilfreich ist auch die Erzählweise, da die Handlung durch die Besuche der verschiedenen Inseln eher häppchenweise serviert wird und dadurch fast schon an einen fröhlichen Sonntagsanime erinnert. In der einen Folge lernen Mario und Luigi mehr über die Gepflogenheiten des einen Volks, setzen sich in der nächsten Episode mit einem weiteren Schicksal auseinander und treffen anschließend direkt auch schon vollkommen neue Freunde. Dadurch fühlte sich das Abenteuer angenehm gemütlich an, wird durch einen roten Faden und eine Rettungsdringlichkeit konsequent nach vorne getrieben, überspannt aber niemals den Spannungsbogen, wodurch der humoristische Charme und eine befreiende Lockerheit zuverlässig erhalten bleibt.
(Zu viel) Zeit für die unwichtigen Dinge
Wer solch eine narrative Leichtfüßigkeit feiert und auf Handlungshighlights verzichten kann, wird diese Punkte bei Mario & Luigi: Brothership auch kaum kritisieren können, diese durch eine gelungene Umsetzung höchstwahrscheinlich sogar vielmehr begrüßen. Leider haben sich dabei jedoch auch einige Problemchen eingeschlichen, die nicht ganz so einfach akzeptiert werden können, das Gesamtwerk oftmals sogar unnötig nach unten ziehen. Und besonders ärgerlich ausfallen, da sie sich vor allem während des Intros nicht einmal ansatzweise ankündigen.
Wie zu Beginn meines Tests ausführlich niedergeschrieben verzichten Nintendo und Acquire nämlich auf ausführliche Vorerzählungen und transportieren Mario und Luigi binnen weniger Sekunden nach Konektania, damit sich das Worldbuilding hier in Ruhe entfalten, das eigentliche Handlungsfundament durch die relevanten Hauptakteure minutiös aufgebaut werden kann. Generell keine schlechte Idee, hätte das verantwortliche Team hier nicht urplötzlich das erzählerische Gaspedal mit der Bremse verwechselt und das vorgelegte Tempo durch eine gelegentlich fast schon unangenehme Trägheit ersetzt, die gerne mal am Nervenkostüm herumnagt.
Dabei ist es die Kombination unterschiedlicher Faktoren, durch die eine kaum abzuwehrende Ermüdung regelrecht potenziert wird. So fallen einige Konversation beispielsweise viel zu lang aus und lassen sich zudem weder überspringen noch mit erhöhter Geschwindigkeit durchspulen, während die fliegende Steckdose und Dauerbegleiter Wattz – bei dem es sich definitiv NICHT um ein Schwein handelt –, den Flow immer wieder unterbricht, um irgendwelche nebensächlichen Infos oder ebenfalls unerträglich gestreckte Tutorials mit den Brüdern zu teilen. Sicherlich mag sich dieses Problem mit fortschreitendem Spielverlauf nach und nach von selbst erledigen, die oftmals unnötig gesenkte Geschwindigkeit bleibt hingegen durchgehend vorhanden und erreicht dank aufgesetzt wirkender Geschichtsloopings vor allem auf der Zielgeraden ihren ärgerlichen Höhepunkt.
Klingt wie ein mittelschwerer Handlungsausfall, wird durch die bereits angesprochenen Stärken jedoch glücklicherweise aufgefangen. Primär der Humor half mir während des Tests über einige langwierige Hürden hinweg, konnte die leicht lädierte Unterhaltungskurve dementsprechend gekonnt auffangen und vor einem vollständigen Absturz bewahren. Dennoch ist es schade, dass die regelmäßig einsetzende Entschleunigung zum Pflichtprogramm wird und nur die ersten paar Minuten eine ungefähre Vorstellung davon geben, wie angenehm fließend die Inselhüpferei doch hätte ablaufen können.
Kunterbunte Inselschifffahrt mit altersschwachem Konsolenmotor
Sicherlich werden einige Hardcore-Nintendo-Fans der ersten Stunde nun wütend in die Tasten hauen, um mir eine wütende Mail zu schreiben. Wie kann ich es wagen, gerade diese Reihe aufgrund ihrer Handlung zu kritisieren, wo gerade diese doch stets eher als sekundärer Rahmen für den eigentlichen Kern, die liebenswerte Präsentation und das Gameplay, dient und somit auch eher vernachlässigt werden sollte. Und zweifelsfrei mag bei solchen kritischen Gedanken auch ein Fünkchen Wahrheit enthalten sein, dennoch müssen diese Versäumnisse unterstrichen werden, sofern sie sich nicht ignorieren lassen – und das ist bei Mario & Luigi: Brothership nun eben der Fall.
Nichtsdestotrotz bleibt eine mitreißende Präsentation ein wichtiges Instrument eines jeden Entwicklerrepertoires – und wird von Nintendo sowie Acquire gewohnt mächtig ausgespielt. Und präsentiert sich das farbenfrohe, enorm liebenswerte Gesamtbild als Rettungsanker für jede Handlungskritik, sorgt das damit einhergehende harmonische Feeling doch schlagartig dafür, dass ich freudestrahlend in das eigentliche Abenteuer eintauchen möchte. Im Vergleich zu den Vorgängern muss man sich zwar zunächst an den neuen Cel-Shading-Look gewöhnen, doch bereits nach kurzer Zeit fühlt sich auch dieser Stil einfach richtig an und macht selbst auf der altersschwachen Switch eine anschauliche Figur.
Eine aus dem letzten Loch pfeifende und förmlich nach einem Nachfolger bettelnde Hardware zu kaschieren, scheint allerdings auch für geübte Entwicklerasse eine zu große Herausforderung zu sein, merkt man dem Ganzen dann nämlich doch an, dass die grafische Messlatte doch zu hoch angebracht wurde. Neben einer oftmals vorherrschenden Detailarmut ist es dann vor allem die spür- und sichtbar einbrechende Framerate, die besonders effektreiche Kämpfe und Zwischensequenzen einfach nicht mehr vollständig stemmen kann. Zu einer wilden Rucklerpartie verkommt die Reise dabei zum Glück nicht, besonders episch inszenierte Momente verlieren dadurch aber doch schon gerne einmal eine gewisse Wirkungskraft.
Wie bereits bei der Handlung setzt Mario & Luigi: Brothership fast schon voraus, dass kleinere Abzüge in der B-Note akzeptiert werden und man den Blick doch einfach in Richtung der ausgearbeiteten Stärken wenden soll, um das Abenteuer ohne große Ärgernisse zu erleben. Und was soll ich sagen? Es funktioniert! Denn obwohl mit einige Slowdowns definitiv gestört haben, wurde ich direkt im Anschluss vom abermals erstklassigen Soundtrack und der wohligen Atmosphäre aufgefangen, tauschte zornige Gewitterwolken über meinem Kopf also schnell gegen freudigen Sonnenschein aus und setzte das Abenteuer ohne große Hindernisse fort. Dass die Switch den Ambitionen der verantwortlichen Entwicklerstudios nicht mehr gerecht wird, bleibt zwar weiterhin ein deutlicher Störfaktor, bleibt jedoch weit vom befürchteten Spielspaß-Genickbruch entfernt.
Duo-Entdeckungstouren allererster Güte
Überhaupt hilft mir Mario & Luigi: Brothership mit den zahlreichen Schauplätzen erstklassig dabei, meine Gaming-Seele einfach mal baumeln zu lassen und nervige Handlungs- und Grafikschnitzer zwar auf meine Kontra-Liste zu setzen, mir von ihnen allerdings nicht die Laune verderben zu lassen. Sobald ich mit den Brüder nämlich farbenfrohe Inseln erforschen und in einen harmonischen Atmosphäre-Ozean eintauchen darf, donnert die Unterhaltungskurve unaufhaltsam gen Höhepunkt und stimuliert gekonnt mein Freudezentrum.
Anstatt mich mit ausufernden Open-World-Gebieten zu konfrontieren, beschränken sich die Schauplätze oftmals auf ein recht gradliniges Design, bauen hier und da dann aber doch eine alternative Route ein, die zu optionalen Erkundungszügen einlädt. Und genau hier liegt der große Spielspaß begraben: Denn fast immer lohnt es sich, verdächtige Ortschaften näher unter die Lupe zu nehmen und sicherzustellen, dass sich hier nicht doch ein kleines (oder vielleicht ja sogar ein gigantisches) Geheimnis verbirgt.
Gelegentlich erwartet mich dabei dann auch nette Rätsel- oder Sprungeinlagen, bei denen brüderliches Teamwork gefragt ist. Beispielsweise muss ich Eisblöcke verschieben, mit schwebenden Blöcken korrekte Codes eingeben oder unter Strom stehende Felder einer Brücke durch das Drücken der richtigen Schalter temporär deaktivieren. Und obwohl nennenswerte Kopfnüsse hier Fehlanzeige sind und geübte Nintendo-Profis alle Lösungen recht schnell herausfinden dürften, fallen diese Aufgaben allesamt ausreichend kreativ und fordernd aus, dass sie weder langweilen noch zur nervtötenden Zwangsveranstaltung degradiert werden. Höchstens in Richtung Finale wäre es angenehm gewesen, wenn nochmal einige Knobel-Highlights serviert worden wären.
Erfreulich ist aber die Tatsache, dass die meisten Inseln nicht einfach nur für einen Kurztrip konzeptioniert sind, sondern euch mit zuvor verschlossenen Bereichen oder neuen Handlungsabschnitten immer wieder zu einem kurzen Abstecher einladen. Vor allem wissbegierige Schatzsucher mit Drang auf eine 100%ige Abschlussrate kommen hier definitiv auf ihre Kosten und sollten sich bereits während der anfänglichen Stunden genauestens merken, welche Wege beim ersten Besuch noch versperrt waren, mit soeben erhaltenen Fähigkeiten nun aber problemlos passiert werden dürfen. Denn nur selten erhält man einen eindeutigen Hinweis, wohin der Blick als nächstes gehen sollte.
Rhythmische Gegnerbeseitigung
Paradiesisches Urlaubsfeeling mit gemütlichen Inselspaziergängen verknüpfen, um ein in zahlreiche Einzelteile zersprengtes Reich wieder zu vereinen, wäre natürlich ein wundervoller Traum. Leider dürften vor allem Mario und Luigi nur zu gut wissen, dass solche heldenhaften Auftritte niemals so simpel ausfallen. Dementsprechend wird ihr Weg regelmäßig von hinterlistigen Feinden gekreuzt, die sich nicht etwa mit lieben Worten, sondern nur mit wuchtigem Hammer und polierten Stiefeln beschwichtigen lassen.
Hierbei orientiert sich Acquire wenig überraschend an den Vorgängern und lässt die Brüder jegliche Bedrohungen im Rahmen rundenbasierter Kämpfe aus der Inselwelt schaffen. Folglich warte ich brav darauf, dass Mario oder Luigi an der Reihe sind und entscheide mich anschließend entweder für den Lebenspunkte schonenden Abwehrmodus – manchmal ist Verteidigung dann eben doch der beste Angriff – oder greife mit meinem schmerzhaften Werkzeug oder einem saftigen Sprung an. Während diese bereits ohne weiteres Eingreifen ordentlichen Schaden austeilen können, lässt sich der Effekt durch perfekt getimtes Knopfdrücken noch maximieren, die gegnerische Lebensleiste also noch schneller in Richtung Nullpunkt treiben. Ein wichtiges Rhythmusspiel, das auch bei der Defensive eine unverzichtbare Rolle spielt.
Oberflächlich betrachtet klingt das Ganze recht simpel und ist in der Praxis dann auch tatsächlich enorm zugänglich. Ich warte auf meinen Zug, wähle meine Wunschattacke, treibe die Wirkungskraft meiner gewählten Manöver mit zeitlich abgestimmten Eingaben in ungeahnte Höhen und schütze mit eben dieser Taktik beim eventuellen Gegenangriff meinen Herzensvorrat. Ein Ablauf, der sich wenig überraschend das gesamte Abenteuer hindurch wiederholt, dank eines durchdachten und hervorragend implementierten Kniffs jedoch zu keinem Zeitpunkt langweilig wird: Die konsequente Notwendigkeit, sich an neue Rhythmus-Herausforderungen anzupassen.
Denn die von mir ausgewählten Attacken und natürlich auch die mir gegenüberstehenden Feinde sorgen dafür, dass ich nicht einfach nur stupide im gleichen Takt bleiben, sondern mein Timing auf die aktuelle Situation anpassen muss. Wenn ich nun also eine der vielen coolen Spezialangriffe auswähle und dafür mit Mario und Luigi gleichzeitig interagieren oder auf eine bisher unbekannte Gegenwehrmaßnahme eines bulligen Oberbösewichts reagieren muss, kann mein inneres Metronom schon mal gerne danebenliegen und aus einer optimalen Gelegenheit einen schmerzhaften Super-Flop machen. Wer sich also locker-flockig zurücklehnt, könnte bereits nach kurzer Zeit einen unfreiwilligen Bildschirmtod verbuchen.
Viele Upgrades, wenig Herausforderung
Während das Kampfsystem an sich bereits feinsten Spielspaß garantiert, stellen die Upgrade-Möglichkeiten das gelungene i-Tüpfelchen dar. Dabei bereitet bereits der Klassiker – das freudige Sammeln von Erfahrungspunkten sowie das damit in Verbindung stehende Erklimmen der Levelleiter – enorm viel Freude, darf ich beim Erreichen vorgegebener Meilensteine doch eine permanente Status-Verbesserungen auswählen und dadurch beispielsweise meine Gesundheitsleiste erweitern, einen weiteren Ausrüstungsslot freischalten oder direkt dafür sorgen, dass sich mein EXP-Konto deutlich schneller füllt. Schade nur, dass diese Meilensteine relativ weit voneinander entfernt sind, ich diese Entscheidungen also vergleichsweise selten treffen darf.
Anstatt sich auf dem Standard ausruhen, versorgt Acquire Mario & Luigi: Brothership dann aber auch mit einer weiteren Mechanik, die erst nach den ersten Spielstunden freigeschaltet wird, Anfänger dementsprechend genügend Gewöhnungszeit an die kämpferischen Grundlagen bietet. Denn mit den Effektsteckern bekommen die Brüder dann kostbare Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, die ich auf Wunsch ausrüsten und damit allerlei Fähigkeiten (darunter eine erhöhte Angriffs- oder Verteidigungskraft, das Aktivieren negativer Statuseffekte bei meinen Feinden oder ein lebensrettender Gesundheitsschub in Notfällen) freischalten kann.
Die Kehrseite der Medaille: Eine unendliche Nutzung der Effektstecker ist nicht möglich, da jeder einzelne mit einer festgelegten Nutzungsanzahl verknüpft ist. Habe ich diese aufgebraucht, wird der ausgerüstete Stecker nutzlos und muss zunächst durch das erfolgreiche Bewältigen mehrerer Duellrunden aufgeladen werden. Folglich werde ich regelrecht dazu animiert, meine favorisierten Ausrüstungshelfer auszuwählen und den perfekten Zeitpunkt für einen Einsatz ordentlich zu überdenken. Ein durchschlagkräftiges Power-Up an harmlosen Mini-Gegner zu verbraten, um beim großen Boss anschließend ohne zusätzlichen Boost auszukommen, kann nämlich unglaublich nervig sein.
Es ist ein System, das erfinderischen Tiefgang bietet, aufgrund der überschaubaren Natur jedoch niemals überfordert oder gar frustet. So darf ich in einer ruhigen Minute neue Stecker erschaffen, mächtige Kombinationen ausprobieren und einfach mal den Versuch wagen, ein bisher erfolgreiches Konzept nochmal zu überdenken und mit einigen Anpassungen vielleicht auf ein neues Kraftniveau zu hieven. Mal eine falsche Entscheidung getroffen? Kein Problem! Die Konsequenzen hielten sich während meines Tests stets auf einem akzeptablen Level, wodurch ich anschließend direkt wieder einen Schritt zurückgehen und einen neuen Verbesserungsversuch wagen konnte.
Weshalb das Kampfsystem trotz der amüsanten Rhythmus-Sause, ausreichend Verbesserungsmöglichkeiten und einem durchdachten Steckersystem nicht das volle Potenzial ausschöpfen kann? Das liegt einzig und allein am Schwierigkeitsgrad, einer seit Jahren vorherrschenden Nintendo-Problematik. Denn um Mario & Luigi: Brothership für eine möglichst große Zielgruppe zugänglich zu machen, fällt dieser enorm niedrig aus, zieht gefühlt nur gegen Ende richtig an und zwingt Profis nur äußerst selten zu taktischen Höchstleistungen. Geht ihr Kämpfen nicht aus dem Weg, habt gut gefüllte Item-Taschen und haltet eure wichtigsten Stecker aufgeladen, geratet ihr eigentlich nie in eine wirklich missliche Lage. Schade, dass es hier keinen alternativen Modus gibt, der bei der erwachsenen und geübten Zielgruppe für etwas mehr Anspruch und Anspannung sorgt.
Verloren im Verbindungswunsch
Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn meines Tests aufgrund der zentralen Hauptaufgabenstellung von Mario & Luigi: Brothership die Befürchtung hatte, dass die herbeigesehnte Inselvereinigung vergleichsweise schnell über die Bühne gehen würde. Schnell einige Schauplätze abklappern, die vielen Stecker in Richtung Kapitarbora befördern und das Ganze einige Male wiederholen. Klar, die teils gestreckten Dialoge würden zweifelsfrei am Zeitkonto knabbern, aber wie viel mehr sollte denn sonst passieren? Schlussendlich verbrachte ich dann aber doch knapp 35 Stunden in Kontektania und hatte mich zu diesem Zeitpunkt kaum den Nebenbeschäftigungen gewidmet.
Erfreulicherweise stolperte ich auf meinem Weg dorthin nur selten über unnötig ausgedehnte Passagen, fühlte mich demzufolge direkt im Anschluss des großen Finales direkt dazu animiert, die bereits besuchten Inseln erneut abzuklappern, verpasste Geheimnisse aufzuspüren und mich Nebenmissionen zu widmen. Diese entfernen sich nur selten von altbekannten Fetch-Quests, verdonnern mich also gerne dazu, eine bestimmte Gegnergruppe zu besiegen oder einen verlorenen Gegenstand ausfindig zu machen, gestalten sich aufgrund der netten Interaktion mit den Inselbewohnern trotz der vorherrschenden Anspruchslosigkeit dann aber doch zu einem willkommenen Zeitvertrieb. Einzig bei den Belohnungen hätte sich das Acquire-Team etwas mehr Mühe geben können, erhalte ich für meine tatkräftige Hilfe doch viel zu oft lahme Hilfs-Items anstatt wirklich notwendige Ausrüstungsgegenstände.
In diesen Moment wurde mir jedoch deutlich bewusst, dass ich mich gerne in dieser Welt aufhalte, auch mit den kleinen Alltagsaufgaben zufrieden bin, solang ich einen guten Grund fürs Weiterspielen geliefert bekomme. Überhaupt ist es für mich als kleiner Hobby-Abenteurer einfach nur eine große Freude, auf der Karte nach mir zur Verfügung stehenden Seerouten zu schauen und bisher unentdeckte Inseln anzusteuern, um unbekanntes Terrain vollkommen frei auf den Kopf zu stellen. Angereichert mit Minispielen, Sprungeinlagen, Rätseln und anderen witzigen Einfällen bleibt diese Freude dann auch oftmals von drückender Abwechslungsarmut verschont, lässt die bekannten Nintendo-Stärken also wie immer hell erstrahlen.
Sobald die ersten Inseln verbunden und garstige Bosse in die Knie gezwungen wurden, hat man sich bereits in Mario & Luigi: Brothership verloren und mag sich den eindeutig vorhandenen Schwächen zwar ohne Frage bewusst sein, kann diese mit ein wenig Wohlwollen aber gut ignorieren. Und obwohl der ausbleibende Feinschliff bei einigen Aspekten ein kleiner Wermutstropfen bleibt, degradieren die legendären Klempner-Brüder diese rasant zu einer vernachlässigbaren Randnotiz und zeigen, weshalb sie auch im RPG-Gewand eine höllisch gute Figur machen. Die Daumen sind gedrückt, dass sie dieses so schnell nicht an den Nagel hängen müssen.
Fazit
Obwohl Nintendo und Entwicklerschmiede Acquire mit Mario & Luigi: Brothership nicht vollends an die Brillanz der Vorgänger anschließen können, präsentiert sich das kunterbunte Inselabenteuer des ikonischen Brüder-Duos dennoch als herrlicher Rollenspielspaß, der vor allem jahrelange Fans problemlos an die Switch fesseln wird – und für Anfänger die perfekte Möglichkeit bietet, nun endlich ebenfalls Teil der wundervollen RPG-Welt zu werden.
Verschiedene Schauplätze zu besuchen, hier mit individuellen Schicksalen sowie Problemstellungen konfrontiert zu werden und diese mit einem herrlich zugänglichen, zugleich aber auch angenehm tiefgehenden Kampfsystem inklusive amüsanter Rhythmusspielchen und zahlreicher Upgrade-Möglichkeiten aus dem Weg zu räumen, macht nicht zuletzt wegen einer Vielzahl an versteckter Geheimnisse enorm viel Spaß. Kombiniert mit netten Rätsel- und Sprungeinlagen ergibt sich ein gelungenes Gesamtpaket, das bei Handlung, Technik und Schwierigkeitsgrad minimale Dellen aufweist, diese mit der langen Stärkenliste allerdings gekonnt kaschieren kann.
Hätten einige erzählerische Kürzungen dem übergeordneten Flow geholfen? Definitiv. Könnte die (höchstwahrscheinlich) stärkere Switch 2 den dynamischen Kämpfen mit einer höheren Framerate zu mehr Glanz verhelfen? Zweifelsfrei. Würde es Nintendo umbringen, geübten Gaming-Profis einen alternativen Schwierigkeitsgrad mit einer knackigen Herausforderung zu spendieren? Absolut nicht! Dennoch versprüht Mario & Luigi: Brothership auch in dieser Form einen packenden Charme, dessen Wirkungskraft über die vielen Duelle, Nebenaufgaben und Geheimnisse bis hin zum gelungenen Abschluss anhält und erneut unterstreicht, dass diese Reihe auf gar keinen Fall in den Ruhestand geschickt werden darf.
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