Jump Force

Jump Force



Ein Jubiläumsgeschenk mit bitterem Nachgeschmack


Viele Seiten, kleines Geld, gigantischer Erfolg: 1968 erblickte das japanische Manga-Magazin Shônen Jump das Licht der Welt und konnte sich mit der Veröffentlichung solch legendärer Werke wie Dragon Ball, Naruto, One Piece oder Fist of the North Star spielend leicht als unverzichtbare Speerspitze der Manga-Welt etablieren.


Kein Wunder also, dass das 50-jährige Jubiläum den perfekten Anlass für eine umjubelte Feier darstellte. Bandai Namco Entertainment und Entwicklerstudio Spike Chunsofts wollte an dieser Stelle mit DEM ultimativen Super-Geschenk punkten: Jump Force, das ultimative Aufeinandertreffen zahlreicher Shônen-Jump-Charaktere aus insgesamt 16 namhaften Serien. Auf dem Papier ein klarer Erfolgsgarant.


Im Jubiläumsjahr erfolgte die Ankündigung, 2019 halte ich das Kampf-Crossover endlich in meinen Händen. Doch anstatt den erhofften Fan-Ekstasen erwarteten mich nach unzähligen virtuellen Rasengans, Kamehamehas und Gum-Gum-Pistolen Enttäuschung, Frust und Ratlosigkeit. Die Gründe hierfür lest ihr im Text.


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Vom Zivilisten zum Helden


Selbst zum Helden werden und an der Seite solcher Shônen-Jump-Legenden wie Son-Goku, Naruto oder Ruffy kämpfen. Ein Traum, den mir Jump Force bereits nach wenigen Spielminuten erfüllt.


Okay, zwar muss ich in Form meines virtuellen Alter Egos zunächst in einen erbitterten Kampf zwischen Freezer und Son-Goku geraten und das Zeitliche segnen. Werde dafür aber immerhin direkt von Trunks höchstpersönlich wiederbelebt und zum Charakter-Editor weitergeleitet, der mir zwar insgesamt nur wenig Optionen bietet, mir aber zumindest die Möglichkeit lässt, mich im Stile meiner Lieblingshelden zu stylen und anzukleiden.


Anschließend fungiere ich als Schachfigur eines Manga-typischen Plots. Bösewichter aus unterschiedlichen Welten des Jump-Universums greifen die reale Welt an und wollen diese mit finsteren Mächten vollständig unter ihre Kontrolle bringen. Logischerweise ein Plan, den ich mit meiner jahrelangen Manga-Erfahrung um jeden Preis durchkreuzen will.


Zum Glück darf ich mich einem von drei Teams – angeführt von Son-Goku, Ruffy und Naruto – anschließen, um bei diesem Vorhaben tatkräftige Unterstützung zu bekommen. Denn alleine böse Buben zu verprügeln, neue Helden auf unsere Seite zu bekommen und die wahren Hintergründe dieses gnadenlosen Angriffs auf unsere Welt aufzudecken, wäre ja unglaublich langweilig.



0815-Weltrettung


Ich wollte es zu Beginn nicht wirklich wahrhaben, musste es mir aber spätestens beim Anblick des Abspanns dann doch eingestehen: Wirklich viel Mühe scheint sich Spike Chunsoft bei der Rahmenhandlung von Jump Force nicht gegeben zu haben.


Während man sich bei einigen Aspekten rund um den finsteren Masterplan der gegnerischen Gruppierung noch ein wenig Gedanken gemacht zu haben scheint, verläuft der Rest nach altbekanntem Schema F und führt euch durch eine stellenweise erschreckend lahme Weltrettungsmission.


Das oftmals klar erkennbare, verschenkte Potenzial ist dabei nur noch ein weiterer herber Schlag in die Magengrube jahrelanger Fans. Ja, Jump Force hat einen zugegeben innovationsarmen, aber nachvollziehbaren Grund für den Zusammenschluss der Shônen-Jump-Legenden gefunden, fängt bei der Interaktion untereinander jedoch nur sehr selten Feuer. Zu oft wirken die Heldentreffen unausgegoren und unfertig, lassen wirklich nennenswerte Dialoge vermissen, können einfach nicht den gewünschten Wow-Moment erzeugen.


Und wenn gelegentlich dann doch mal der altbekannte Humor und die unterhaltsame Leichtigkeit der in Jump Force vereinten Serien durchschimmern und mir einige amüsante Momente spendieren, spült der lahme Rette-die-Welt-Plot das Ganze dann doch wieder in den Sog der enttäuschenden Belanglosigkeit.



Inszenatorische Sparflamme


Vor allem Dragon-Ball-Fans wissen allerdings, dass Shônen-Jump-Stories sich nicht immer durch Innovation, sondern oftmals durch gekonnte Inszenierung und ausgefeilte Charaktere auszeichnen. Letztlich konnte auch Akira Toriyamas Werk trotz einer simplen Oh, ein neuer, supermächtiger Gegner-Struktur zur weltweiten Legende werden – packende Schlagabtäusche und fantastische Helden sowie Bösewichter sei Dank.


Das Problem: Auch in dieser Disziplin scheitert Jump Force gnadenlos. Denn viele Zwischen- sowie Dialogsequenzen präsentieren sich als regelrechtes Sammelsurium erschreckender Schnitzer, die alleinstehend akzeptabel gewesen wären, in der Summe jedoch stellenweise sogar unfreiwilliges Lachen zur Folge hatten.


Eine teils katastrophale Framerate, die viel zu selten eingesetzte Sprachausgabe und die damit direkt in Verbindung stehenden, vollkommen leblos anmutenden Konversationen kann man tatsächlich noch hinnehmen, werden diese von den Animationen doch spielend leicht in den Schatten gestellt.


Abgehackte, teils kaum nachvollziehbare Bewegungsabläufe gehören fast schon zum Hauptprogramm und verwandeln selbst bierernste Momente von Jump Force gerne mal zur unangenehmen Lachnummer. Unheimlich emotionslose Gesichtszüge bilden dabei dann noch das schmerzhafte I-Tüpfelchen. Ich bin mir sicher: Mit solchen Animationskatastrophen hätten meine geliebten Shônen-Jump-Animes niemals zu solch legendären Werken avancieren können.



Farbenfrohe Anime-Duelle


Mit Blick auf das eigentliche Geschehen auf dem Schlachtfeld fällt die schwache Inszenierung der Rahmenhandlung umso enttäuschender aus. Hier beweist Spike Chunsoft nämlich eindrucksvoll, mit was für einer anschaulichen Wucht man so ein Manga-Crossover präsentieren kann.


Zugegeben: Der Verzicht auf einen cartoonigen Cel-Shading-Look und dem damit verbundenen Sprung zu merkwürdig surreal anmutenden Kämpfer-Modellen erfordert ein wenig Eingewöhnungszeit, bietet anschließend jedoch vor allem im direkten Vergleich mit Anime-Titeln der letzten Monate willkommene, optische Varianz.


Und während die Zwischensequenzen die Jump-Kämpfer zu leblosen Marionetten machten, werden diese auf dem Schlachtfeld mit all ihren Eigen- und Besonderheiten zum Leben erweckt. Ob nun Outfits, Frisuren, kleinere Details oder vernichtende Spezialangriffe, hier kommen Fans definitiv auf ihre Kosten und freuen sich zudem über einen angenehmen Anime-Charme.


Mit rasanten Kamerafahrten, überschnellen Kombos und teils bildschirmfüllenden Mega-Moves münden die Duelle gerne mal in unübersichtliches Chaos, bieten Spike Chunsoft jedoch gleichzeitig die Chance, ein farbenfrohes Effekte-Feuerwerke im Stil der Shônen-Jump-Serien abzufeuern. Ruhige Momente finden somit keinen Raum, vielmehr wird man von einer hektischen Animation zur nächsten geleitet und darf erst zum Kampfende durchatmen.


Wirklich schade, dass eben dieses Feuerwerk nicht auch bei der Story abgefeuert werden konnte und Spike Chunsoft uns letztlich mit Jump Force ein grafisches Yin und Yang bietet, dessen Grat zwischen Enttäuschung und Begeisterung erschreckend schmal ist.



Simpel, aber effektiv


Dreh- und Angelpunkt von Jump Force ist aber natürlich das Kampfsystem – immerhin kennen und lieben wir die Shônen-Jump-Charaktere nicht für ihre verbalen Fähigkeiten, sondern für packende Duelle mit viel Bamm-Bamm-Bamm und Krach-Bumm.


Spike Chunsoft beweist dabei vortrefflich, dass man in diesem Genre bereits ausreichend Erfahrung sammeln konnte. Mit seiner grundlegend simplen Angriff-Verteidigung-Spezialangriff-Mechanik geht das Crossover-Gekloppe angenehm einfach von der Hand und wird trotz stets hohen Tempos zu keinem Zeitpunkt überfordernd.


Mit gezielten Kombinationen aus schnell-schwachen sowie langsam-wuchtigen Hieben setzen wir dem Anime-Rivalen ordentlich zu, behalten dessen Konterverhalten für geschickt ausgeführte Ausweichmanöver im Auge und nutzen Lücken in der Abwehr, um mit einem imposanten Special-Move einen ordentlichen Teil der Lebensleiste abzuknipsen.


Diese sollte man übrigens dreifach aufmerksam im Auge behalten. Denn obwohl wir jedes Duell mit drei Kämpfern austragen dürfen, die wir per Knopfdruck jederzeit austauschen dürfen, teilen sich diese eine Gesundheitsanzeige, wodurch das Frischer Kämpfer, frische Lebensanzeige-Prinzip gegen eine ausgefeiltere Planung ersetzt werden muss.


Und obwohl Jump Force das Genre-Rad definitiv nicht neu erfindet und sich insgesamt auf einem relativ oberflächlichen Gameplay-Level bewegt, erfordern vor allem spätere Duelle einen strategischen sowie zeitlich perfekt getimten Einsatz der unterschiedlichen Prügel-Aspekte. Anfangs reichte mir stupides Dauergekloppe zum Sieg, im späteren Spielverlauf dufte ich das Schlachtfeld nur nach erfolgreichen Defensiv-Manövern, dem Ausnutzen gegnerischer Verteidigungslücken und perfekt abgepasstem Kämpfertausch als Sieger verlassen.



Die Qual der Shônen-Jump-Wahl


Genre-Fans wissen, dass schnelle Angriffe, gekonntes Ausweichen und das Ausreizen taktischer Vorteile nur die halbe Miete sind. Eine breite Kämpferriege ist für das Etablieren des eigenen Stils ebenfalls unverzichtbar. Und Jump Force bietet dabei ausreichend Möglichkeiten, sich auszutoben.


Spike Chunsoft hat sich zum Glück nicht stur auf die angesagtesten Shônen-Jump-Serien konzentriert, sondern traut sich mit City Hunter, Saint Seiya oder Yu Yu Hakusho auch auf vergangenes, aber halt auch zeitloses Terrain, das Anime-Fans des modernen Zeitalters eventuell zunächst auf einen kurzen Pfad gen Google-Trip schickt.


Fast schon Pflicht, aber dennoch positiv zu erwähnen: Jeder Fighter zaubert mit altbekanntem Kampfstil und teils legendären Moves (allein vom Kamehameha werde ich niemals gut bekommen) Fans ein breites Lächeln auf die Lippen, während Taktiker im Trainingsmodus ausreichend Möglichkeiten geboten bekommen, sich an Kombinationen, unterschiedlichen Team-Zusammenstellungen und strategischen Feinschliffen auszuprobieren.


Einziger, dafür aber doch schwerwiegender, Wermutstropfen ist die kaum spürbare Varianz zwischen den einzelnen Kämpfern. Grundlegende Aspekte wie Größe, Gewicht oder Kampfstil der einzelnen Charaktere führen zwar definitiv zu einem spürbaren Unterschied in puncto Steuerung, erfordern beim eigentlichen Vorgehen auf dem Schlachtfeld zu keinerlei Neujustierung.


Sicherlich erreicht meine spielerische Freude und Motivation immer wieder einen neuen Höhepunkt, wenn ich mal mit Son-Goku, mal mit Kakashi, dann mit Kenshiro und anschließend Yusuke Urameshi schmerzhafte Punches austeilen darf. Wem diese innige Fanliebe allerdings fehlt, der erkennt deutlich schneller die objektive Ebene: Es fühlt sich einfach alles zu ähnlich an.



Abwechslung, der unbesiegbare Endgegner


Trotz meiner jahrelangen Shônen-Jump-Liebe und klaren Begeisterung für diese erstklassige Kämpferzusammenstellung nahm die Motivation aufgrund des ähnlichen Spielgefühls schnell ab. Leider nur ein Teilaspekt eines viel größeren Problems, das einen altbekannten Namen trägt: Abwechslungsarmut.


Spike Chunsoft mag sich den Gefahren des Genres sicherlich bewusst sein, hat mit Jump Force jedoch keinerlei Bemühungen unternommen, diese aus der Welt zu schaffen. Bereits nach wenigen Spielstunden scheine ich in einer nicht enden wollenden Zeitschleife aus Kämpfen-Herumlaufen-Kämpfen gefangen zu sein.


Bereits im Mittelfeld der Rahmenhandlung ließ sich ein durchweg repetitives Gefühl kaum mehr abschütteln, hängeringend suchte ich nach einer Möglichkeit, mich zum Weiterspielen und Beenden der Story zu motivieren. Der aus dem Nichts steil ansteigende Schwierigkeitsgrad wurde da trotz klarer Unfairness regelrecht freudig begrüßt, um dem Gekloppe zumindest eine Portion Herausforderung beizumischen.


Experimentieren mit neuen Shônen-Jump-Helden kann der Motivationskurve dann auch keinen Schwung mehr verpassen und verdammt diese zu einem freien Fall gen Nullpunkt. Dieser wird dann durch amüsante On- und Offline-Duelle gegen menschliche Mitspieler abgefedert, hinterlässt aber dennoch einen gewissen Schmerz in den Knochen.



Vorherrschende Langeweile


Leider beschränkt sich die Abwechslungsarmut nicht nur auf die kämpferischen Auseinandersetzungen, sondern auch auf das eigentliche Missionsdesign. Während Jump Force euch nämlich ausreichend Haupt- und Nebenmissionen zum Abgrasen spendiert, gehen spielerische Variationen zugunsten der altbekannten Verprügel-Gegner-X-Vorgaben hier gänzlich flöten.


Prinzipiell scheint Spike Chunsoft die Entwicklungsressourcen primär auf die Fights gesetzt und die restlichen Elemente von Jump Force schnell nebenbei zusammengeschustert zu haben. So muss ich zum Erreichen der nächsten Aufgabe ohne jegliche Wegweiser ziellos durch einen tristen Hauptschauplatz wandern und dabei den einen oder anderen Bug beobachten.


Zusätzliche Infos zum Jump-Universum, versteckte Schätze oder gar klitzekleine Versuche, die Spielwelt mit Leben zu füllen, bleiben völlig aus, wodurch man viel zu oft völlig orientierungslos von A nach B verfrachtet wird, dabei aber erschreckenderweise eigeninitiativ herausfinden muss, wo sich Punkt B überhaupt befindet. Anfängliche Motivation wird hier schnell zu einem seitens der Entwickler vermeidbaren Nerv-Faktor, der immerhin von den anschließenden Kämpfen abgefedert werden kann.


Es war einer dieser Moment, in denen ich nach langer Suche endlich mein Ziel erreichen und die Handlung fortsetzen konnte, dabei jedoch von einer unfassbar langweiligen, spannungstechnisch vollkommen enttäuschend inszenierten Zwischensequenz empfangen wurde. Einer dieser Moment, der mir deutlich machte, dass an jeder Front einfach so viel mehr möglich gewesen wäre.


Und der mir deutlich machte, dass Sanji, Gon, Deku und Co. am Ende des Tages dann halt doch nicht jede Herausforderung heldenhaft meistern können.


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Fazit


Eine mit zahlreichen Shônen-Jump-Legenden gefüllte Kämpferauswahl, optisch imposant in Szene gesetzte Schlagabtäusche sowie ein simples, aber dennoch unterhaltsames Kampfsystem machen Jump Force auf dem Papier – und gelegentlich auch in der Praxis –, zu einem automatischen Crossover-Highlight, das durch eine Reihe schmerzender Story-, Grafik- und Gameplay-Schnitzer unliebsam auf den Boden der Tatsachen gebracht wird.


Dadurch wird das lange herbeigesehnte Jubiläumsgeschenk von Bandai Namco und Spike Chunsoft zwar nicht zur desaströsen Vollkatastrophe, dafür aber vor allem aufgrund einer erschreckend lahmen Haupthandlung zur herben Enttäuschung, die man mit mehr Abwechslung, Feinschliff und erzählerischer sowie inszenatorischer Finesse definitiv hätte abwenden können.


Fans der über 40 Shônen-Jump-Legenden aus 16 Serien wird das sicherlich wenig kümmern – auch mich konnten die eindeutigen Schwächen nicht abschrecken. Dennoch sollte man vor dem käuflichen Erwerb die Preisvergünstigung und Patch-Welle abwarten. Damit kann man eben diese Schwächen besser verzeihen und Jump Force somit weniger kritisch betrachten.


Und nach 50 unvergesslichen Jahren haben das unsere geliebten Helden einfach verdient!

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