Bravely Default 2

Bravely Default 2



Zurück in die JRPG-Zukunft.


Heutzutage kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mich die Videospiel-Industrie unliebsam an die Hand nehmen möchte. Exzessive Tutorialfluten, optional aktivierbare Hilfsmechaniken, extrem generöse Checkpoints – wahre Herausforderungen bekomme ich fast ausschließlich aus der Soulslike-Ecke spendiert, muss auf der Suche nach einem knackigen Schwierigkeitsgrad oftmals klassische Titel aus meiner heimischen Sammlung entstauben.


Nun sind Nintendo und auch Square Enix an dieser Entwicklung nicht gerade unschuldig, unternehmen gemeinsam mit Entwicklerstudio Claytechworks nun aber immerhin den Versuch, Switch-Besitzern mit einer nostalgischen JRPG-Zeitreise einen Hauch des alten, gnadenlosen Spielgefühls zu verpassen, dabei aber auch den Spirit eines modernen Abenteuers nicht aus den Augen zu verlieren.


Doch ob Bravely Default 2 diesem ambitionierten Vorhaben tatsächlich gerecht wird oder beim anspruchsvollen Spagat Vergangenheit und Gegenwart kläglich scheitert, das verrate ich euch im Test.


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Rückbesinnung auf die Genrewurzeln


In meinen frühen Videospieltagen stand gnadenloses Grinden gefühlt an der Haupttagesordnung einer jeden JRPG-Session. Ein Umstand, den ich damals logischerweise kaum als problematisch abstempeln konnte, schien das Genre das Einsammeln von Erfahrungspunkten und dem damit in Verbindung stehenden Aufwerten grundlegender Attribute doch als primäre Gameplaysäulen definiert zu haben.


Nun liegen diese Zeiten jedoch über zwei Jahrzehnte zurück, endlos erscheinende Aneinanderreihungen simpler Zufallskämpfe und stundenlange Märsche durch bereits abgeschlossene Dungeons gehören längst der Vergangenheit an und wurden durch nicht minder zeitintensive, dafür aber spielerisch deutlich abwechslungsreichere Elemente ersetzt. Sicherlich ein willkommener Wandel, einen nostalgischen Blick in die frühe Rollenspiel-Historie konnte ich mir im Laufe dieser Entwicklung gelegentlich allerdings dennoch nicht verkneifen – und schwelge selbst heutzutage noch gerne in wohligen EXP-Erinnerungen.


Erfreulicherweise schienen auch einige Entwicklerstudios die alten Zeiten zu vermissen und erlaubten sich hin und wieder eine Rückbesinnung auf traditionelle Tugenden, mit denen man zwar sicherlich nicht den breiten Gaming-Mainstream der Moderne aus den Latschen kippen, dafür aber hartgesottenen Veteranen die Pforte zu einem altbewährten Abenteuer öffnen und damit ein Lächeln auf die Lippen zaubern konnte. Ein Vorhaben, das Spieleschmiede Silicon Studio 2013 mit dem 3DS-Titel Bravely Default und dem zwei Jahre später folgenden Handheld-Sequel Bravely Second: End Layer vortrefflich in die Tat umsetzte und im Gegenzug mit positiven Kritiken belohnt wurde.


Kein Wunder also, dass die Fangemeinde (mich eingeschlossen) den Switch-Release von Bravely Default 2nach der Ankündigung bei den Game Awards 2019 kaum erwarten konnte. Doch ich möchte ehrlich sein, mit einer kompletten narrativen Abkapselung von den Vorgängern sowie einem brandneuen Studio an der Entwicklungsspeerspitze vermengte sich meine Vorfreude mit einem kleinen Tupfen Skepsis, das weiterhin stolz zur Schau gestellte, klassische JRPG-Gewand stimmte mich allerdings frühzeitig positiv, dass mich auch das durch die fünf Königreiche von Excillant führende Abenteuer auf einen nostalgischen Trip entführen und somit nicht enttäuscht zurücklassen würde.



Volles Risiko


Tatsächlich tritt Bravely Default 2 bereits ab der ersten Spielminute unerbittlichen auf das Retro-Gaspedal und rast regelrecht durch die Seiten der geschätzten JRPG-Bibel. Ein gestrandeter Held, der zum strahlenden Helden avanciert? Check. Draufgängerische Spaziergänge durch von Monstern besiedelte, weitläufige Oberwelten und schlauchige Dungeons? Dürfen ebenfalls nicht fehlen. Und die guten alten rundenbasierten Kämpfe? Sind natürlich ebenfalls an Bord.


Ich steuere Protagonist Seth (und bereits nach kurzer Zeit auch seine drei Weggefährten) also durch die hübsche Spielwelt, visiere den nächsten bestialischen Kontrahenten an (ja, nervigen Zufallskämpfen werden die angestaubten Fesseln zum Glück nicht abgenommen) und versuche, mir mit einem Schwerthieb einen kleinen Vorteil auf dem Schlachtfeld zu erkämpfen. Hier variiere ich dann zwischen simplen Angriffen, Spezialattacken, Abwehrhaltungen oder allerlei Zaubern, um die Schwächen meiner Feinde ausfindig zu machen und den Platz geschwind als glorreicher Sieger zu verlassen.


Nun mag das Kampfsystem recht anspruchs- und innovationslos klingen, wird durch zwei simple Worte jedoch ruckartig aus dem Genre-Allerlei gezogen: Brave und Default. Hierbei handelt es sich um zwei aus den Vorgängern bekannte Vorgehensweisen, mit denen wir entweder auf entschleunigende Sicherheit oder volles Risiko schalten könnte. Via Default-Befehl könnt ihr nämlich in die Defensivhaltung wechseln und dadurch Brave-Punkte (BP) ansammeln, die ihr im Anschluss in eine Aneinanderreihung mehrerer Züge investieren könnt. Oder ihr häuft via Brave direkt mehrere Kommandos an und lasst gleich eine bis zu vierstufige Angriffsserie vom Stapel – seid im Falle einer schwerwiegenden Fehlkalkulation dann aber mehrere Runden handlungsunfähig und ladet eure Gegenspieler zu verheerenden Kontern ein.


Bravely Default 2 gelingt bereits mit diesem schmackhaften Zusatz, das altbekannte Rezept ein wenig durchzuschütteln, muss ich nun doch nicht nur die gegnerischen Achillesfersen sowie meine eigene Gesundheitsleiste im Auge behalten, sondern zeitgleich auch noch den strategischen Faktor des Brave-Default-Systems in meine Taktik integrieren. Blind auf Kosten all meiner zukünftigen Züge ein Offensiv-Feuerwerk zu entzünden mag sicherlich nach einem vielversprechenden Gewinngaranten klingen, entpuppt sich in der Praxis beim unüberlegten Einsatz allerdings schnell als unfreiwilliger Rohrkrepierer, der euch schnurstracks mit dem unheilvollen Game-Over-Bildschirm konfrontiert.



Augen auf bei der Berufswahl


Eine weitere, wenn nicht sogar die wichtigste, Säule des rundenbasierten Kampfsystem bilden die Job-Asterisken, mit denen wir unseren Helden spezielle Fähigkeiten verleihen und dank verschiedenster Zusammenstellungsmöglichkeiten unseren individuellen Stil und strategische Raffinesse auf das Schlachtfeld bringen.


Beispielsweise verwandle ich Seth mit den leuchtenden Steinchen zum Mönch und somit zum ultimativen Nahkämpfer. Adele mache ich währenddessen zur Schildmeisterin, immerhin braucht mein Team auch ein defensives Powerhouse, an dem sich Dämonen die Zähne ausbeißen. Elvis wurde mir derweil als Schwarzmagier vorgestellt, der darf mit seinen Feuer-, Eis- oder Blitzsprüchen also gerne weiterhin Chaos verbreiten. Und auch Gloria mache ich die Rolle der Weißmagierin lieber nicht streitig und nutze ihre Kräfte, um schmerzhaften Schaden und störende Statusveränderungen rasant aus der Welt zu schaffen.


Zahlreiche Jobs (die genaue Anzahl möchte ich euch aus Spannungsgründen nicht vorwegnehmen) wollen von euch im gesamten Spielverlauf entdeckt und ausprobiert werden, wobei jedem Kämpfer eine Haupt- sowie Nebenklasse zugewiesen werden darf. Hierbei sind der Fantasie keinerlei Grenzen gesetzt: Jeder Charakter lässt sich mit einer beliebigen Kombination ausstatten und wird in puncto Spezialisierung zu Wachs in euren Händen. Zudem dürft ihr eure Auswahl abseits des Gefechts jederzeit revidieren, braucht euch also nicht vor katastrophalen Fehlentscheidungen zu fürchten und euch mit einem aktualisierten Arrangement auf die gegenwärtige Gefahrenlage einstellen.


Blind Asteriske auf eure Truppe werfen und hoffen, dass dabei ein unschlagbares Heldenteam entsteht, endet aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem folgenschweren Dilemma, weshalb ihr stets auf eine ausgewogene Aufteilung achten solltet, anstatt eines Magier-Quartetts also auch an Nah- und Fernkämpfer denken solltet. Auch die Wahl der Hauptklasse ist entscheidend, kann diese durch siegreiche Duelle doch ebenfalls verbessert werden und euch Zugriff auf völlig neue Talente oder mächtigere Zaubersprüche eröffnen. Nebenklassen sacken zwar keine Erfahrungspunkte ein, fügen unserem Repertoire jedoch weitere coole Fertigkeiten hinzu, verknüpft zwei Angriffswelten also zu einem variabel einsetzbaren Move-Set.


Damit noch nicht genug, denn auch die passiven Fähigkeiten – darunter eine Reduzierung der MP-Kosten, wiederholt lebensrettende Selbstheilungskräfte oder temporäre Steigerung der Angriffskraft – verdienen eure besondere Aufmerksamkeit. Diese werden ebenfalls durch das Aufleveln eurer Jobs freigeschaltet und dürfen anschließend ausgerüstet werden, wobei euch nur eine geringe Slot-Anzahl zur Verfügung steht, auch diese Komposition euch folglich ordentlich Gehirnschmalz kostet.


Als experimentierfreudiger JRPG-Fanat fühlte ich mich regelrecht gezwungen, unzählbare Stunden in die Modifikation meiner Berufswahl und passiven Hilfestellungen zu stecken, den Mix stetig wild durchzuwürfeln und den Perfektionsbrunnen dadurch nach und nach auszuschöpfen. Bravely Default 2 verpasst dem antik wirkenden Kampfsystem eine ebenso komplexe wie auch zugängliche Note, der man in dieser Form in der weiten Genre-Welt sicherlich bereits begegnet ist, die sich dank der gelungenen Einflechtung in das Gesamtkonzept aber nichtsdestotrotz als Gameplay-Highlight etablieren kann.



Aufgeben ist keine Option


Sich mit all den Facetten des Kampfsystems ausführlich zu beschäftigen und den anfänglichen Taktikansatz regelmäßig zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen, wird bei Bravely Default 2 spätestens bei der Erkundung des ersten Dungeons zum unverzichtbaren Pflichtprogramm: Denn selbst auf der niedrigsten von insgesamt drei Schwierigkeitsstufen hat es dieses JRPG in sich!


Während ihr Standardgegner mit geringfügigem Know-How und wohl überlegtem Einsatz des Brave-Default-System oftmals gekonnt in Schach halten, manchmal sogar in einer effektiven Runde direkt ins Jenseits befördern könnt, stellen die Bosse euer kämpferisches Können gehörig auf die Probe und bringen vor allem Genre-Neueinsteiger gehörig ins Schwitzen. Leichtfertig stempelte ich meine erste Begegnung mit einem Obermotz als freundliches Tutorial ab, musste mich dann allerdings binnen weniger Sekunden von zwei Teammitgliedern verabschieden und nach einer weiteren schwerwiegenden Fehleinschätzung (RPG-Regel Nummer 1: Hab immer ausreichend Heilmittel am Start, sollte dein Heilmagier das Zeitliche segnen!) direkt das virtuelle Handtuch werfen.


Obwohl sich solch vernichtende Rückschläge mit zunehmender Spieldauer exponentiell häuften, stellte sich befürchteter Frust zu keinem Zeitpunkt ein, da Bravely Default 2 auf spürbare Schritte in Richtung Unfairness verzichtete und mich stattdessen zum Nachjustieren meiner Jobverteilung einlud. Vielleicht kann ich mir den Schwarzmagier diese Runde sparen und stattdessen den Barden ins Rennen schicken? Oder setze ich lieber auf den Bestienmeister und lasse monströse Verbündete von der Leine? Vielleicht ist ja Geschwindigkeit der Schlüssel zum Sieg, der Dieb somit die erfolgsversprechende Geheimwaffe?


Die Vielzahl an spielerischen Zusammenstellungsmöglichkeiten ist vielfältig, wodurch man sich selbst im Angesicht einer schier unüberwindbaren Herausforderung nicht in einer ermüdenden Motivationssackgasse wiederfindet, sondern bereits mit kleineren Anpassungen klare Fortschritte verbuchen und nach einem hart erkämpften Sieg einen lautstarken Jubelschrei kaum zurückhalten kann. Beim Test kam es nicht selten vor, dass ich den (nach einer niederschmetternden Niederlagenwelle) hart erkämpften Triumph freudig zelebrierte und mir anerkennend auf die eigene Schulter klopfte – solche Emotionen können moderne JRPGs nur selten auslösen!


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Grinden bis die Daumen bluten


Doch die ausgiebige Beschäftigung mit allen maßgeblichen Mechaniken ist bei Bravely Default 2 nur die halbe Miete, immerhin greift Entwicklerstudio Claytechworks auf ein weiteres altbekanntes Element aus der Genre-Vergangenheit zurück, das sich auf der Suche nach den vier Kristallen kaum umschiffen lässt: Stundenlanges Grinden.


Es kommt also nicht von ungefähr, dass ich den Test hiermit eröffnet habe, fühlte ich mich beim fantasievollen Abenteuer doch rasant in ferne Videospielzeiten zurückversetzt. Lauernden Feinden geschickt ausweichen, frech zum Dungeon-Ende rasen und den dort wartenden Endgegner mit der richtigen Taktik – eventuell sogar einem kurzen Blick in einen Online-Guide – in die Knie zwingen? In der Theorie sicherlich umsetzbar, praktisch jedoch eine völlige Unmöglichkeit. Wer auf Tempo spielt und die Level seiner vier Helden dabei außer Acht lässt, ist bereits frühzeitig zum Scheitern verurteilt.


Zum Glück nehmen die Grind-Läufe keine dramatischen Ausmaße an, werden dank durchweg unterhaltsamer Gefechte, einer jederzeit verfügbaren Option zur Vervierfachung der Kampfgeschwindigkeit und dem anspornenden Erkunden zahlreicher Schauplätze (immerhin könnte sich hinter jeder Ecke ein kostbarer Schatz verstecken) zudem herrlich angenehm gestaltet. Dadurch verkommen sie nicht zur strapaziösen Pflichtaufgabe, sondern präsentieren sich, wie bei klassischen JRPGs, eher als geschickt eingeflochtener Gameplayaspekt, der mich zu neuen Höchstleistungen, beziehungsweise dem schnellen Erreichen des nächsten Levels und damit Freischalten neuer Fähigkeiten animiert.


Den roten Hauptkampagnenfaden für einen Abend zur Seite legen, einen spannenden Podcast einschalten und beim Aufsuchen verpasster Schatztruhen oder durch fachmännisch gehändelte Konflikte mit besonders mächtigen Oberwelt-Schurken Erfahrungspunkte anhäufen und somit die kommenden Hürden möglichst unbeschadet überwinden zu können, gestaltete sich für mich als überragender Spielspaßfaktor, der mich etliche Stunden an die Switch fesselte und den Handheld-Modus abermals als erstklassige Funktion zementierte.


Vor dem Einschlafen noch eine kurze Shoppingtour einlegen und mein hart verdientes Geld für neue Waffen oder Rüstungen verjubeln? Klasse! Nur noch zwei, drei oder gleich 20 Kämpfe angehen, um den nächsten Levelanstieg zu verbuchen? Grandios! Meinen Helden vor dem Wechsel in den Standy-Modus via Schiff auf automatisierte Segelabenteuer zu schicken und am nächsten Morgen Erfahrungspunkte und Heilgegenstände kassieren? Wunderbar! Sogar beim Schreiben dieser Zeilen juckt es mich in den Fingern, direkt wieder in die Welt von Excillant abzutauchen und meine Helden aufzupowern.


Grind-Muffel seien an dieser Stelle aber nochmals ausdrücklich gewarnt: Ohne Auslevel-Ausflüge lässt sich Bravely Default 2 nicht bezwingen. Sollten diese also eher an eurem Nervenkostüm nagen, solltet ihr bei dieser JRPG-Reise lieber aussetzen und den Blick auf in dieser Hinsicht geradlinigere Genre-Kollegen richten.



Konventionelle Kristalljagd


JRPG-Fans mögen sich nun verwirrt fragen, weshalb ich meinen Test lieber mit einem ausführlichen Blick auf das vielschichtige Kampfsystem eröffne und mich erst im Mittelfeld mit der Rahmenhandlung beschäftige. Die Antwort ist denkbar simpel: Weil Bravely Default 2 einer ähnlichen Strategie folgt, das Gameplay also ebenfalls über die Story stellt.


Erfahrenen Genre-Anhängern dürfte das narrative Grundkonstrukt dabei erschreckend bekannt vorkommen, sieht sich doch auch Excillant, wie viele fantasievolle Länder zuvor, mit einer Welle verheerender Naturkatastrophen und somit dem sicheren Untergang konfrontiert, nachdem fiese Übeltäter vier magische Kristalle entwendet haben. Doch Hoffnung naht in Form von Seth, Gloria, Elvis und Adele, den vier sagenumwobenen Helden des Lichts, die sich wagemutig auf eine beschwerliche Reise begeben, um den Dieben einen Strich durch die verbrecherische Rechnung zu machen, die legendären Artefakte an ihre Ursprungsort zurückzubringen und schließlich die gesamte Welt vor einem zerstörerischen Unheil zu bewahren.


Zugegeben, zahlreiche Klassiker lassen sich ähnlich schmucklos zusammenfassen und präsentieren erst im weiteren Abenteuerverlauf ihr ebenso facettenreiches wie auch farbenfrohes Story-Federkleid. Bravely Default 2 verpasst bei der fast schon unerlässlichen Weltrettung die Chance, nennenswerte Akzente zu setzen, mich mit unvorhergesehenen Wendungen oder schockierenden Ereignissen vom Hocker zu hauen. Ich wandere durch von fiesen Monstern heimgesuchte Gebiete zur nächsten Stadt, löse hier ein für Chaos sorgendes Problem und wiederhole das Ganze, bis ich schlussendlich beim Abspann angekommen bin. Überraschungen bleiben aus, ich muss mich mit einer unterhaltsamen Achterbahnfahrt ohne fulminante Höhen und langweilige Tiefen zufriedengeben.


Dass diese Fahrt auf halber Strecke weder als brachialer Totalausfall abgestempelt wurde noch mit einem vorzeitigen Abbruch endete, ist vollends dem sympathischen Helden-Quartett zu verdanken. Sicherlich fallen allesamt (ebenso wie etliche Nebenfiguren und Antagonisten) recht eindimensional aus, stechen nur selten mit kleineren Charakternuancen aus der Menge hervor, entzünden im oftmals humorvollen Zusammenspiel untereinander aber einen willkommenen Unterhaltungsfunken, der die Handlungsflamme durchweg am Leuchten hält.


Während ich der eigentlichen Suche nach den vier Kristallen eine gewisse Zweckmäßigkeit also kaum absprechen konnte und auch die x-te Weltrettungsmission als heldenhafter Auserwählter eher schulterzuckend als uninspiriertes, dank einer schicken Inszenierung aber immerhin solides Handlungsfundament zur Kenntnis nahm, waren es Seth und seine Weggefährten, die mich mit ihren Eigenheiten, witzigen Sprüchen und auch persönlichen Geschichten bei Laune hielten und bis zum Abspann narrativ bestens unterhielten. Einige inhaltlich belanglos erscheinende und dadurch unschön gestreckt wirkende Passagen wurden mir dadurch zwar nicht aus dem Gedächtnis gespült, wurden vom insgesamt positiven Gesamteindruck jedoch zu vergleichsweise kleinen Schlaglöchern im Handlungspfad entschärft, konnten meine Motivation somit nur geringfügig ausbremsen.



Bezwinger der ermüdenden Alltagsproblematik


Leider konzentriert sich diese Ideenlosigkeit nicht nur auf die Haupthandlung, auch die zahlreichen Nebenmissionen kommen aufgrund dieser Problematik wiederholt ins Straucheln. Grund hierfür ist ein verstärkter Fokus auf simple Fetch-Quests, die die Spieldauer zwar gehörig in die Höhe schrauben, spielerischen Anspruch dafür aber bedauerlicherweise auf der Strecke lassen.


Beispielsweise muss ich einem verletzten Wanderer Heiltränke beschaffen, ein verlorenes Fischermesser ausfindig machen oder ein gefürchtetes Monster bezwingen. Stolze Vertreter des kleinen Rollenspiel-Einmaleins, die Bravely Default 2 zwar mit netten Dialogen und ansprechenden Belohnungen (darunter hilfreiche Items, stärkende Ausrüstungsgegenstände und sogar neue Job-Asterisken) ausschmückt, beim Abklappern der To-Do-Liste aber kaum über eine dominierende Monotonie hinwegtäuschen kann.


Doch auch hier fungieren die Helden des Lichts als regelrechter Rettungsanker und sorgen dafür, dass das Gameplayschiff trotz heftiger Problemwellen nicht versinkt und klaffende Löcher mit ausgewählten Highlights gestopft werden können. Gelegentlich avancieren diese nämlich zu einem integralen Part einer aktuellen Mission und eröffnen dadurch nicht nur spannende Gespräche, sondern auch wissenswerte Einblicke in die eigene Vergangenheit, bauen somit ihre individuelle Persönlichkeit noch weiter aus und wachsen mir dadurch stärker ans Herz.


Vollkommen ignorieren konnte in die optionalen Aufgaben demzufolge nicht, griff beim Test also auf meine bereits erwähnte Grind-Taktik zurück und kombinierte ausgewählte Gaming-Abende mit einer zusätzlichen Podast- oder auch Streaming-Quelle, um einer durch designtechnischen Minimalismus hervorgerufenen, etwaige Ermüdung proaktiv entgegenzuwirken. Klingt zwar nach erzwungener Beschäftigungstherapie, beschränkt den Störfaktor der hier vorherrschenden Simplizität jedoch auf ein akzeptables Minimum, eröffnet dem altbekannten JRPG-Spielspaß im Zusammenspiel mit der Erfahrungspunktejagd sogar die Möglichkeit, sein volles Potenzial zu entfalten und mich somit schleichend in seinen Bann zu ziehen.


Fakt ist allerdings auch, dass Claytechworks mit einem klar erkennbaren Fokus auf Quantität auf das falsche Nebenmissionspferd gesetzt hat und mit einer strikt qualitativen Ausrichtung ohne Frage besser gefahren wäre. In dieser Form vermag mich Bravely Default 2 zwar weiterhin durch das Abenteuer zu tragen, verfrachtet die erzählerischen Glanzstücke jedoch in einen Sumpf aus vernachlässigbarem Nebengeplänkel, wodurch mein Elan spätestens ab dem zweiten Kapitel und der 30. Bring- oder Besieg-Aufgabe einen spürbaren Knick verpasst bekommt.



Chibi-Invasion mit Gemälde-Hintergrund


Dass der nostalgische Trip in die JRPG-Vergangenheit nicht ohne angestaubte Genre-Schwächen auskommen und mich aus meiner modernen Gaming-Komfortzone locken würde, war – vor allem mit einem kurzen Blick auf die beiden Vorgänger – natürlich absehbar. Somit konnte ich meine Erwartungshaltung frühzeitig anpassen, erkannte die mittlerweile antiquierten Gameplayelemente eher als willkommene Herausforderung und nicht als nervtötenden Appendix der Urzeit.


Bravely Default 2 machte es mir aber auch nicht schwer, mich von meinen üblichen Gewohnheiten zu verabschieden und mich einfach mal wieder fallenzulassen, nicht direkt den Vergleich mit ähnlichen Titeln zu suchen, sondern mich vollends auf das aktuelle Abenteuer einzulassen. Dank einer malerischen Optik wurde ich nämlich geschwind in einen fantasievollen Traum entführt, wurde Zeuge einer Vielzahl bezaubernder Landschaften und Städte, die sogar im Handheld-Format eine unheimlich gute Figur machten und eindeutig das optische Highlight darstellten.


Leider ist dieser Umstand nicht nur der optischen Klasse, sondern auch der Tatsache geschuldet, dass Claytechworks die zweischneidige Klinge auch beim grafischen Aspekt nicht aus der Hand legen wollte und einen positiven Ersteindruck mit kritikwürdigen Entscheidungen schmälern musste. Anstatt nämlich auch die Charakter- und Monstermodelle auf das Switch-Niveau zu bringen, entschied man sich für die Chibi-Varianten der 3DS-Vorgänger, die mir mit ihrer putzigen Natur zwar einige Schmunzler entlocken konnten, oftmals jedoch wie Fremdkörper wirken und vor allem ernsthaften Passagen kaum den nötigen Nachdruck, keinerlei Dramaturgie verpassen können.


Als Kompensation für die visuellen Diskrepanzen wird Bravely Default 2 zumindest für den akustischen Part mit einer weißen Weste ausgestattet, feiert Erstlingskomponist Revo (seines Zeichens Anführer der japanischen Musiktruppe Sound Horizon) nach Abwesenheit beim Sequel Bravely Second: End Layer doch eine gelungene Rückkehr und knüpft mit einem erstklassigen Soundtrack inklusive zahlreicher Ohrwurmgaranten nahtlos an das hohe Niveau seiner früheren Arbeit an. Und da auch die englischen sowie japanischen Sprecher mit einer ordentlichen Leistung glänzen und die Balance zwischen emotionalen und humorvollen Momenten stimmlich brillant halten können, darf ich mir einen Schwenk in Richtung Negativität in diesem Abschnitt sparen und strahlend zwei Daumen nach oben richten.



Mitten ins Herz der Zielgruppe


Bravely Default 2 machte mir die gravierenden Evolutionsschritte des JRPG-Genres der letzten Jahrzehnte über die gesamte Spieldauer von knapp 60 Stunden hinweg durchweg deutlich erkennbar. Durch zermürbende Niederlagen, regelmäßiges Grinden und überaus ambitionierte Kampfmechaniken wollte kein packender Flow entstehen, stattdessen musste ich gelegentlich kurze Pausen einlegen, um meine geleerten Motivationstanks wieder aufzuladen.


Doch trotz all dieser kaum zu ignorierenden Altlasten aus fast vergessenen Tagen dachte ich zu keinem Zeitpunkt an einen Abbruch der epischen Reise, wollte das Ende gerade wegen dieser hinderlichen, mit ausreichend Fingerspitzengefühl und Zeitinvestition allerdings dennoch überwindbaren Stolpersteine erreichen. Es kam sogar vor, dass ich mitten in der Nacht mit einem Geistesblitz aufwachte und mich aus dem Schlafzimmer heimlich in Richtung Switch schlich, um einem unbesiegbar erscheinenden Boss mit einer angepassten Job-Konstellation den Garaus zu machen.


Für JRPG-Veteranen gleicht Bravely Default 2 dem seit vielen Jahren herbeigesehnten Traumhaus, dessen Stärken zwar deutlich überwiegend, einem Kauf aber ein noch ausstehender Friedensvertrag mit den zu akzeptierenden Schwächen im Weg steht. Ja, ein zusätzliches Badezimmer, mehr Sonnenschein im Wohnzimmer und Platz für einen begehbaren Kleiderschrank wären ein Traum, doch gilt es diese Unzulänglichkeiten zu akzeptieren, um das heimelige Wohngefühl sowie den gigantischen Garten in vollen Zügen genießen zu können.


Claytechworks hat aus gefährlich morschen, aber dennoch stabilen Zweigen ein zwischen den Zeitaltern positioniertes Rollenspielnest erschaffen, das mir mit der richtigen Einstellung zwar stundenlange Gemütlichkeit verspricht, mit seinen unliebsamen Gameplayspitzen gelegentlich aber auch mal den einen oder anderen Stich versetzt. Eine Situation, mit der ich mich dank einer Rückbesinnung auf meine frühsten Genre-Schritte bestens anfreunden kann und die herben Misserfolge als optimale Chance sah, das Blatt mitsamt meines Old-School-Wissens zu wenden. Wer mit dem Status Quo vollends zufrieden ist, also niemals in den Genuss der legendären Klassiker kam oder mit der fernen Vergangenheit komplett abgeschlossen hat, dürfte das Ganze derweil als regelrechte Tortur empfinden, spätestens bei einem höchst musikalischem Boss (keine Sorge, hier folgen keinerlei Spoiler) vollends resignieren und das Kapitel Finde die vier Kristalle ad acta legen.


Wie bereits eingangs erwähnt wird dieses Ziel von Bravely Default 2 ohnehin nicht verfolgt, die breite Masse bewusst nicht angesprochen. Vielmehr soll eine Zuflucht für die alten JRPG-Hasen geschaffen werden, ein schonungsloser virtueller Hindernisparcours, an dessen entlohnendem Ziel die Erkenntnis wartet, dass man sich den Sieg hart erkämpft und sein spielerisches Können bravourös zur Schau gestellt hat. Und dieses Vorhaben geht vollkommen auf, womit nicht nur ein kleines Switch-, sondern auch ein prächtiges Genre-Highlight erschaffen wurde – nur eben nicht für jedermann.


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Fazit


Mit Bravely Default 2 präsentieren Nintendo, Square Enix und Entwicklerstudio Claytechworks nicht nur ein zauberhaftes Sequel, sondern entführen euch zugleich auf eine nostalgische Zeitreise in die herrlich fordernde JRPG-Vergangenheit, inklusive rundenbasierter Gefechte, gnadenloser Endgegner sowie stundenlangem Grinden.


Dabei gibt mir das Abenteuer mit einem hervorragend vielschichtigen Kampfsystem etliche Möglichkeiten an die Hand, alle unüberwindbar erscheinenden Hürden zu meistern, dank einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem komplexen Job- oder dem risikoreichen Brave-und-Default-System zum unschlagbaren Helden zu avancieren. Die Rahmenhandlung sowie Charaktermodelle bleiben dabei zwar auf der Strecke, entpuppen sich schlussendlich jedoch als vernachlässigbare Unebenheiten auf dem ungemein unterhaltsamen und mit vielen Highlights gepflasterten Rollenspielpfad, auf dem vor allem Genre-Veteranen jeden Schritt vollends genießen werden.


Alle anderen könnte dieser Marsch – gerade wegen einiger angestaubt anmutender Mechaniken, einem gepfefferten Schwierigkeitsgrad und der erzwungenen Erfahrungspunktejagd – gehörig am Nervenkostüm nagen, wodurch ein vorheriger Blick in die kostenlose Demo zum Pflichtprogramm wird. Kenner des Originals und Old-School-JRPGler können sich diesen Schritt aber getrost sparen, direkt in die malerische Welt von Excillant eintauchen und ihr über viele Jahre angesammeltes spielerisches, kämpferisches und bestenfalls auch taktisches Know-How auspacken. Ansonsten wird der Game-Over-Bildschirm rasch zum unliebsamen Reisebegleiter.

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