Another Code: Recollection

Verschwundene Eltern. Verlorene Erinnerungen. Dunkle Geheimnisse. Fantastisches Remake-Double.


Viele werden mich sicherlich für verrückt, vielleicht sogar paranoid halten, mittlerweile bin ich mir allerdings sicher, dass Nintendo keine Kosten und Mühen gescheut hat, meine Wohnung mit technologisch hochwertigen Abhörinstrumenten auszustatten. Selbst ein übernatürliches Gedankenlesen kann ich aufgrund einer unheimlichen Aneinanderreihung fragwürdiger Zufälle nicht mehr ausschließen. Denn jedes Mal, wenn mich der nostalgische Wunsch nach einem verpassten Videospiel-Klassiker packt und meine Suche auf verschiedenen Second-Hand-Plattformen (Neupreise erreichen ja gerne mal astronomische Höhen), kommt der japanische Publisher mit einer unerwarteten Remake-Ankündigung um die Ecke.


Bestes Beispiel: Kaum hatte mich die Lust gepackt, nach fast zwei Jahrzehnten endlich in das 2005 für den Nintendo DS erschienene Point-and-Click-Adventure Another Code: Doppelte Erinnerungen einzutauchen und logischerweise auch dem 2009 veröffentlichten Wii-Nachfolger Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung eine Chance zu geben, stand bereits Another Code: Recollection in den Switch-Startlöchern und wollte beide Abenteuer in kombinierter, generalüberholter Form in die Gaming-Moderne transportieren. Ein Glück hatte ich den Online-Kauf zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.


Voller Vorfreude machte ich mich also daran, mein jahrelanges Versäumnis endlich aus der Welt zu schaffen, zwei Punkte von meiner Gaming-To-Do-Liste streichen zu können. Ein hehres Vorhaben, das ich nach knapp 15 Stunden in die Tat umsetzen konnte. Nun blieb nur noch eine wichtige Frage, mit der ich mich bereits mehrmals konfrontiert sah, offen: Hatte sich das lange Warten überhaupt gelohnt? Die Antwort darauf möchte ich euch im Laufe dieses Tests ausführlich darlegen.


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Aus zwei mach eins


Bereits im Hauptmenü von Another Code: Recollection erwartete mich eine kleine Überraschung. Anstatt nämlich der üblichen Remake-Prozedur zu folgen und mir die Auswahl zwischen beiden Original-Titeln zu geben, haben sich Nintendo und das für die modernisierende Generalüberholung verantwortliche Entwicklerstudio Arc System Works, bekannt für die Guilty Gear- oder auch die BlazBlue-Reihe, hochmotiviert dazu entschieden, beide Geschichte miteinander zu verknüpfen und daraus ein einzelnes, in sich geschlossenes Abenteuer zu erschaffen. Wer den Erstling also bereits auf dem DS bestreiten durfte und direkt in die Fortsetzung springen wollte, muss sich auf eine spontane Planänderung einstellen.


Erfreulicherweise konnte ich als Nichtkenner über die narrative Anpassung nur müde lächeln, weshalb ich ohne weitere Umschweife loslegen und die 13-jährige Ashley kennenlernen durfte, deren Leben vollständig auf den Kopf gestellt wurde. Urplötzlich erhielt sie nämlich einen Brief ihres eigentlich verstorben geglaubten Vaters, der unbedingt ein Wiedersehen mit seiner Tochter feiern möchte. Ein Wunsch, den das junge Mädchen trotz eines emotionalen Wirrwarrs, eines ellenlangen Fragenkatalogs sowie einer unglaublichen Aufregung kaum ablehnen kann und sich per Fähre direkt in Richtung der abgelegenen Blood-Edward-Insel begibt, auf der sich ihr Vater derzeit aufhalten soll.


Weshalb das Treffen auf einer unbewohnten Insel mit einem recht unheimlichen Namen stattfinden soll? Nur die erste von vielen Fragen, die bei Ashley für das eben erwähnte Gedankenchaos sorgen. Anstatt einer klärenden Aussprache, einer liebevollen Umarmung und erhoffter Elternliebe erwartet Ashley nämlich eine leerstehende Villa, in der etliche Rätsel und Geheimnisse von ihr gelöst werden wollen. Als sie dann auch noch dem mysteriösen Geist D begegnet, ist das Durcheinander komplett – und das Mädchen unverhofft in einem dichten Netz aus tragischen Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart gefangen, aus dem sie sich zum Erreichen einer besseren Zukunft unbedingt befreien muss.


Mit dem Ende von Another Code: Doppelte Erinnerungen scheint Ashley den Fluch heimsuchender Geheimnisse allerdings immer noch nicht abgeschüttelt zu haben, weshalb sie sich zwei Jahre später erneut ihrer Vergangenheit stellen muss. Folglich erwartet die Heldin nach Beenden des Inseltrips kein ausschweifender Abspann, sondern direkt der Beginn von Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung, der sie an den malerischen Lake Juliet führt. Chillen, Spaß und Sonnenschein ist aber auch hier nicht angesagt, muss sie doch nicht nur den Spuren ihrer Mutter folgen, sondern sich zugleich noch mit einem Vorfall befassen, der sich an diesem See zugetragen hat. Ein Glück hat Ashley das auf der Blood-Edward-Insel angeeignete Know-how nicht verlernt und ist bereit, ihre investigativen Fähigkeiten ein weiteres Mal zu aktivieren, um Licht ins rätselhafte Dunkel zu bringen.



Erzählerischer Mut zum gemächlichen Tempo


Es kommt nicht von ungefähr, dass ich die Geschichte von Another Code: Recollection nur oberflächlich zusammenfasse, mich dabei sogar streng am offiziellen Kurzinhalt orientiere. Ashleys Reise als tosendes Wendungsfeuerwerk zu bezeichnen wäre zwar übertrieben, dennoch verbergen sich hier einige Überraschungen, die ich natürlich weder spoilern noch frech anschneiden möchte. Es braucht sich also niemand Sorgen zu machen, dass inmitten meiner persönlichen Bewertung relevante Handlungsmomente vorweggenommen werden.


Tatsächlich fällt mir die Geheimnistuerei auch überhaupt nicht schwer, spielen die kleinen Twists und unerwarteten Enthüllungen doch eher die zweite Geige. Im Mittelpunkt steht eindeutig Ashley und die Aufarbeitung ihrer tragischen Vergangenheit, die einigen Nebenplots vermengt wird, von Anfang bis Ende aber eindeutig den Ton angibt. Umso erfreulicher ist es dann auch, dass der Protagonistin ausreichend Raum zur emotionalen Entfaltung gegeben wird, wodurch ihr Schmerz und Leid besser greifbar, jegliche Höhen und Tiefen der Ermittlungen deutlicher spürbar werden. Kam ich der Wahrheit einen Schritt näher, freute ich mich mit Ashley. Erlitt ich einen Rückschlag, verspürte ich einen leichten Mitleidsanflug. Und all das ist einem eleganten Intro zu verdanken, das mir ein angenehmes Kennenlernen mit Ashley ermöglicht.


Another Code: Recollection behält dieses Tempo durchgehend bei und konzentriert sich stets auf die relevanten Haupt- und Nebenfiguren, verzichtet also bewusst auf überhetzte Actionmomente, um ruhige, oftmals ergreifende Dialoge in den Fokus zu stellen. Dementsprechend ist es keine Seltenheit, dass Ashley oder D einfach mal geistesabwesend in der Gegend herumschauen, sich einige Sekunden vollends in ihrer Gedankenwelt verlieren und mir die Chance geben, die Schwere der aktuellen Situation richtig zu erfassen. Eine durchaus riskante Erzählweise, die dank eines anhaltend spannenden Mysteriums und einer angenehm dichten Atmosphäre nicht etwa implodiert, sondern in Richtung Abspann immer mehr (gemächliche) Fahrt aufnimmt.


Natürlich entsteht dadurch eine zweischneidige Klinge, an der sich einige Leute zweifelsfrei verletzen, beziehungsweise stören werden. Wer nämlich etwas mehr Geschwindigkeit einfordert, den eigenen Herzschlag mit einer kleinen Adrenalinspitze zumindest ein wenig in die Höhe treiben möchte, wird nicht nur enttäuscht, sondern muss stellenweise sogar Acht geben, dass die Gaming-Session vor der Switch nicht in der vorzeitigen Nachtruhe endet. Vielleicht wäre es für die Ansprache einer breiteren Zielgruppe dann doch ratsam gewesen, zumindest in ausgewählten Sequenzen vorsichtig auf das narrative Gaspedal zu treten und den Spannungsbogen etwas eindringlicher zu gestalten.


Doch weder Another Code: Doppelte Erinnerungen noch Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung haben jemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass es sich hierbei um den gewünschten Tonalitätsschwerpunkt handelt. Umso erfreulicher, dass sich Another Code: Recollection dem Massendruck nicht etwa künstlich beugt, sondern den Grundpfeilern der Originale treu bleibt und mit einigen Nachjustierungen und erzählerischen Erweiterung sogar noch dafür sorgt, dass das Gesamtbild stimmiger ausfällt. Dass es dann eben auch Kritiker geben wird, scheint ein notwendiges Übel zu sein, das dank einer klaren Kommunikation, bereits seit etlichen Jahren verfügbaren Originalen sowie einer kostenlos herunterladbaren Demo allerdings gekonnt abgeschwächt wird und Fehlkäufe somit eigentlich unmöglich macht.



Bewegungsfreiheit für die Hobby-Ermittlerin


Höchstwahrscheinlich wird es auch eben diese Demo sein, die sogar Kenner der Originale ins Staunen versetzen wird. Immerhin leben wir in Zeiten, in denen sich Remakes und Remaster gerne mal auf ein entwicklungstechnisches Minimum beschränken und erhoffte Verbesserungssprünge dabei schmerzlich vermissen lassen. Another Code: Recollection präsentiert sich derweil als ultimatives Paradebeispiel, wird das grundlegende Gameplay der DS- und Wii-Ära doch nicht einfach nur optimiert, sondern gleich vollständig umgebaut, um sich die modernen Gegebenheiten anzupassen.


Während Another Code: Doppelte Erinnerungen und Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung nämlich noch klassische Point-and-Click-Adventure waren, bei dem der erste Part immerhin Erkundungszüge aus der Vogelperspektive ermöglichte und das Sequel um eine limitierte Bewegungsmöglichkeit auf festgelegten Schienen und aus einer angenehmeren Kameraeinstellung erweitert wurde, punktet das Switch-Remake mit verschiedenen 3D-Umgebungen, die ich mit Ashley aus der Third-Person-Perspektive frei erkunden darf. Anstatt mich nach dem Entdecken spannender Gegenstände also auf einen Stylus oder eine Wii-Remote verlassen zu müssen, bewege ich mich via Joy-Con kurzerhand zur gewünschten Position und beginne mit dem A-Knopf den Untersuchungsprozess. Die Videospielwelt kann doch so einfach sein.


Beim generellen Gameplay-Ablauf erwarten Genre-Fans trotz des Updates dann aber keine nennenswerten Überraschungen. Kaum wurde ein neuer Raum betreten, wird dieser nach wichtigen Interaktionsmöglichkeiten durchsucht. Einige entpuppen sich als irrelevant, andere füllen mein Inventar mit existenziellen Hinweisen oder unentbehrlichen Schlüsseln, mit denen ich zuvor verschlossene Türen öffnen und noch eine unbekannte Örtlichkeit kennenlernen darf. Und genau an dieser Stelle beginnt die spielerische Dauerschleife, die anschließend höchstens durch kurze Dialoge oder Rätsel durchbrochen wird.


Fordernde Kopfnüsse solltet ihr dabei allerdings nicht erwarten. Sicherlich zwang mich Another Code: Recollection während des Tests immer mal wieder dazu, um die Ecke zu denken und lotste mich dabei gelegentlich auch mal gerne in eine kurzzeitige Gedankensackgasse, eine Vielzahl der kleineren Knobelaufgaben ließen sich dann aber doch relativ einfach lösen. Kein Wunder, hätten anspruchsvolle Rätsel mit verzwickten Lösungswegen in Kombination mit dem langsamen Handlungstempo höchstwahrscheinlich zu etlichen Ermüdungserscheinungen und jähen Spielabbrüchen geführt. In dieser Form wird ein angenehmes Herausforderungslevel geboten, das den Fortschritt höchstens ein wenig entschleunigt, aber nur selten zu einem vollständigen Stillstand führt.



Ermittlungshilfestellungen sind erlaubt!


Primär ist dieser Umstand allerdings auch der geglückten Integration verschiedener Hilfestellungen zu verdanken. Keine Ahnung, wo das nächste Missionsziel liegt? Schnell auf den Joystick drücken, schon weist mir ein Navigationsring den Weg. Vergessen, welche Bereiche ich mir zu einem späteren Zeitpunkt nochmal näher anschauen wollte? Dann öffne ich einfach die Karte und lasse mich von den hineingekritzelten Notizen auf den neusten Wissensstand bringen. Ein Rätsel erweist sich doch als unüberwindbares Hindernis? Einfach per Minus-Taste einen von insgesamt drei Hinweisen aktivieren und den grauen Zellen damit auf die Sprünge helfen.


Dass die Aktivierung der hilfreichen Fingerzeige stufenweise erfolgt, dürfte Hobby-Detektive mit einem gewissen Restehrgeiz freuen. Auf diese Weise darf man sich immerhin in die richtige Richtung schubsen lassen, darf anschließend versuchen, der Lösung dann doch noch selbst auf die Schliche zu kommen. Klappt das Ganze mal dann doch nicht, gönnt man sich eben Hinweis Numero zwei. Und greift nur in allerhöchster Not und Verzweiflung zum finalen und gelegentlich sogar recht eindeutigen Anhaltspunkt.


Als alter Hase des Rätsel-Genres (danke Euch, Phoenix Wright und Professor Layton!) brachten mich die Rätsel bei Another Code: Recollection nur enorm selten an den Rand des Wahnsinns. Oftmals reichen offene Augen und eine ansatzweise geübte Kombinationsfähigkeit, um alle bedeutsamen Informationen zu sammeln und zum geforderten Endergebnis zu verknüpfen. So muss ich mir durch das durchdachte Platzieren angezündeter Kerzen einen Weg durch ein Labyrinth bahnen, mit einer Waage das Gewicht unterschiedlicher Münzen erörtern oder eine Bücherreiche korrekt anordnen. Dabei brauche ich nicht nur Grips, sondern gelegentlich auch das Dual Another System, ein Switch-ähnlicher Handheld, den Ashley von ihrem Vater erhalten hat und mit dem sie wissenswerte Infos und auch Fotos speichern kann.


Klingt recht spannend, das Knobelrad wird mit diesen Aufgaben allerdings zu keinem Zeitpunkt erfunden, die Bezeichnung „Kopfnuss“ also definitiv nicht verdient. Dennoch setzten bereits die Originale auf eine angenehme Varianz, die Arc System Works beim Remake noch ein wenig verfeinert und sogar um völlig neue Rätsel erweitert hat. Auch die zuvor integrierten DS- und Wii-Funktionen wurden ausgemerzt, stattdessen einige Gyro-basierte Herausforderungen integriert. Alles Bemühungen, die gewiss Beifall verdienen, zumindest beim letzten Punkt dann aber auch ein wenig Frust auf den Plan rufen – denn bereits während der ersten Stunde trieb mit die unzuverlässige Bewegungssteuerung wahrlich in den Wahnsinn und hielt dieses unausgegorene Niveau durchweg bei. Hoffentlich wird ein Patch hier noch Abhilfe schaffen.



Applaus für diese Remake-Bemühungen


Scheinbar entfesselte das Team von Arc System Works bei der Gameplay-Renaissance ungeahnte Entwicklerkräfte und stürzte sich noch passionierter auf den technischen Part des Remakes. Anstatt hier nämlich den einfachsten Weg zu wählen, mithilfe eines HD-Filters einfach nur für einige geglättete Texturen zu sorgen und anschließend den glorreichen Feierabend auszurufen, wurden für Another Code: Recollection visuelle und akustische Mauern eingerissen, um auf denen Fundament ein völlig neues Gesamtbild zu erschaffen. Kein Wunder, war dieser Schritt aufgrund der spielerischen Weiterentwicklung doch dringend notwendig.


Allerdings beschränkt sich das visuelle Upgrade dann nicht einfach nur auf die Schauplätze, sondern schließt auch gleich alle weiteren Elemente ein, die der Zahn der Zeit logischerweise mit Staub bedeckt hat. Ashley und natürlich auch alle anderen Haupt- und Nebenakteure dürfen ihre emotionsgeladenen Gesichtsausdrücke dank aufgefrischter Charaktermodelle nun deutlich glaubwürdiger zur Schau stellen, während vollends überarbeitete, teilweise sogar neu hinzugefügte Zwischensequenzen wichtige Handlungsmomente nun deutlich expressiver transportieren. Allein dieser optische Wandel unterstreicht, weshalb es sich bei dieser Sammlung nicht um ein Remaster, sondern um ein vollwertiges Remake handelt.


Sollte euch dieses Eifer aber noch nicht überzeugt haben, liefert Arc System Works mit dem Sound direkt zwei weitere Beweise, die diese Feststellung bravourös untermauern. Dass die musikalische Untermalung komplett neu aufgenommen und um bisher unbekannte Kompositionen erweitert wurde, dürfte dabei keine nennenswerte Überraschung sein – immerhin gehört dieser Schritt bei heutigen Neuauflagen fast schon zum guten Ton (pun intended). Wirklich beeindruckend ist aber die Tatsache, dass eine Reihe hervorragend passender Sprecher an das Mikrofon gebeten wurde, um eine englische sowie eine japanische Sprachausgabe aufzunehmen und damit Abschied von den stumm abgehaltenen Textbox-Dialogen der Vergangenheit zu nehmen. Klar, dass dadurch auch die emotionale und atmosphärische Dichte ein enormes Upgrade erfährt.


Hätte sich Arc Systems Works noch etwas mehr ins Zeug legen können? Konzentriert man den eigenen Blick auf einige unschöne Texturen, teils etwas hölzerne Animationen und eine schwankende (aber niemals katastrophale) Performance, erkennt man definitiv weiteres Verbesserungspotenzial. Betrachtet man dann aber auch den enormen Sprung, der von den Originalen zu Another Code: Recollection gemacht wurde, versprüht das aufgefrischte Gesamtwerk trotz kleiner Nickeligkeiten dennoch den packenden Charme eines modernen Adventures, das die Konkurrenz zwar nicht toppen, sich aber auch nicht hinter dieser verstecken muss.



In der Kürze liegt die Rätselwürze


Bei Another Code: Recollection hatte ich das Gefühl, nach Ewigkeiten endlich einen begehrten (und jugendfreien) Krimi-Roman in die Hände bekommen zu haben, dessen klassische Erstauflage längst vergriffen war, aber eine generalüberholte und um spannende Fußnoten und Handlungsebenen erweiterte Hardcover-Ausgabe für erhoffte Abhilfe sorgte. Ja, das gemächliche Tempo bleibt omnipräsent, fulminante Highlights sind rar gesät, dennoch fühlte ich mich die gesamte Spielzeit erstklassig aufgehoben und aufgrund der übergeordneten Mysterien, die wie nicht tödlich Damokles-Schwerter über mir schwebten, animiert, dem Pfad zum Abspann ohne lange Ruhepausen zu folgen.


Ein begrüßenswerter Fokus auf die wesentlichen Dinge gestaltete sich beim fröhlichen Durchmarschieren als wichtiger Motivationsfaktor. Abseits der überschaubaren Leerlaufmomente, bei denen es sich primär um etwas zu langgezogene Erkundungs- und Rätselpassagen handelt, wird das Doppelabenteuer nämlich nicht künstlich aufgebläht, verzichtet also bewusst auf Nebenmissionen und exzessive Ablenkungen. Infolgedessen hangelte ich mich von einer Denkaufgabe zur nächsten, freute mich zwischendurch über kleinere Enthüllungen und merkte überhaupt nicht, dass ich das Ende nach knapp 15 Stunden erreicht hatte. Und keinerlei Gründe für einen weiteren Durchgang präsentiert bekam.


Im Zeitalter horrender Spielzeiten erweist sich diese Länge dann aber eben doch vielmehr als Segen, bekommen Genre-Fans doch eben die beiden Aspekte geboten, die stets an erster Stelle stehen: Eine ebenso emotionale wie auch durchdachte Story und zumindest ansatzweise anspruchsvolle Denkaufgaben. Damit das Ganze auch nicht zu oberflächlich und auf Schienen wirkt, dann ich gelegentlich dann eben doch mal optionale Dialoge führen, für meine aktuellen Ermittlungen nicht so wichtige Gegenstände unter die Lupe nehmen oder nach gut versteckten Origami-Kranichen Ausschau halten, die spannende Nachrichten verbergen und die Rahmenhandlung um einige Facetten erweitern. Eine kleine, nette Nebenbeschäftigung, die sich gekonnt in das Gesamtabenteuer einpflegt und mir die Chance gibt, meinem Hirn eine kurze Pause zu gönnen.


Es kommt nicht von ungefähr, dass ich auf der Zielgeraden meines Tests den Vergleich zu einem unterhaltsamen Krimi gezogen habe, sah ich zu meinen Erfahrungen mit Another Code: Recollection doch einige Parallelen. Sich einfach mal in einer atmosphärischen Erzählung verlieren, mit den Hauptfiguren mitfiebern, den eigenen Kopf auf der Jagd nach der Wahrheit zerbrechen und nach dem kurzzeitigen Weglegen doch direkt wieder den Drang zu spüren, in diese Welt voller Geheimnisse eintauchen zu wollen. Dieses Erfahrung lässt sich dann einfach nicht in Geld aufwiegen – denn solange man sich am Ende der Reise freudig zurücklehnen und positiv auf das Erlebte zurückblicken kann, hat sich das Investment vor allem für Fans vollends gelohnt. Ein Gefühl, das Nintendo, Arc System Works und auch Ashley bei mir ohne Frage erfolgreich geweckt haben.


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Fazit


Nintendo und Arc System Works hätten es sich mit Another Code: Recollection unglaublich einfach machen können. Schnell beide Originale mit einem HD-Filter künstlich aufhübschen, diese auf eine Switch-Softwarekarte ballern und fertig ist die Neuauflage. Stattdessen wurde an wirklich jeder Front eine aufwendige Extrameile gedreht, um Ashleys Doppelabenteuer erzählerisch, technisch und auch spielerisch gehörig zu modernisieren.


Kleinere Handlungsfalten wurden glattgebügelt, zwei Titel elegant zu einer zusammenhängenden Geschichte kombiniert, 3D-Umgebungen hinzugefügt, das grundlegende Grafikgerüst aufgefrischt, der Soundtrack aufgepeppt, fast alle Dialoge mit passenden Sprechern aufgenommen, neue Rätsel inkludiert, optional Hilfestellungen eingebaut... Eine überraschend lange Liste an sinnvollen Updates, die eindrucksvoll unterstreicht, dass der Entwicklungsprozess nicht nur viel Zeit beansprucht hat, sondern zugleich sehr leidenschaftlich vonstattenging. Zwar bleiben trotz aller Bemühungen gelegentlich ermüdend lahme Zwischensequenzen, einige Leerlaufmomente und nicht vollends durchdachte Rohrkrepierer-Rätsel erhalten, verkommen angesichts der zahlreichen Verbesserungen jedoch zu einem akzeptablen und schnell vergessenen Übel.


Ob Another Code: Recollection das kollektive Gedächtnis der Videospielgemeinde stimulieren, Erinnerungen an Ashleys mitreißende Suche nach der Wahrheit wecken und Nährboden für einen dritten Teil schaffen wird? Wünschenswert wäre es solches Ergebnis natürlich, wobei es sich hierbei definitiv um pure Fantasie handelt. Doch auch ohne Trilogie-Ambitionen kommen Fans von Mystery-Adventures an dieser Remake-Sammlung kaum vorbei – immerhin erhält man hier auf einen Schlag zwei besondere Genre-Geheimtipps, denen auf der Switch nicht nur ein kleiner Schritt in die Moderne geglückt ist, sondern die sich zugleich auch zweifelsfrei in ihrer bisher besten Form präsentieren. Und die nach Erreichen des Abspanns dann doch die stille Hoffnung wecken, dass seitens Nintendo bald eine Sequel-Ankündigung folgt...

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