Wolfenstein II: The New Colossus

Wolfenstein II: The New Colossus



Shooter mit 1A-Handlung? Das geht immer!


Wolfenstein: The New Order gehört für uns bis heute zu einer der ganz großen Shooter-Überraschungen der Gaming-Geschichte.


Klar, dass Bethesda hier ordentliche Kost abliefert, das konnte man ein wenig vorhersehen. Dass hierbei allerdings so ein spielerisches und atmosphärisches Meisterwerk an den Start gebracht wird, damit haben nur wenige rechnet.


Kein Wunder also, dass die Fortsetzung, Wolfenstein II: The New Colossus, bereits seit der Erstankündigung als großer Must-Have-Titel galt. Gleichzeitig aber auch ein wenig Skepsis hervorrief: Kann Bethesda mit einem zweiten Teil wirklich nochmal so stark punkten?


Ihr wollt die Antwort? Die gibt es in unserem Test!


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Das Regime kennt keine Pause


Es sollte ein vernichtender Schlag gegen das Regime werden. Immerhin gelang es Soldat und Widerstandskämpfer William B.J. Blazkowicz, am Ende von The New Order die Truppenstärke sichtbar zu dezimieren und William Deathshead Strasse sowie seine Festung ins Jenseits zu befördern.


Schwer verletzt wird B.J. gerettet und verfällt in ein mehrmonatiges Koma. Sein Erwachen fällt leider wenig erfreulich aus: das Regime ist nämlich noch lange nicht am Ende. Denn General Engel sinnt auf Rache und versucht, B.J. und seine Kameraden endgültig auszuradieren.


Damit muss sich der muskelbepackte Kämpfer nicht nur ein weiteres Mal schwer bewaffnet gegen die Übermacht stellen, sondern gleichzeitig auch noch mit seiner Rolle als werdender Vater zurechtfinden. Und sogar düstere Blicke in die Vergangenheit werfen, wobei schmerzhafte Details aus der tragischen Kindheit des Helden enthüllt werden.



Handlung mit Tiefgang


Von einem Shooter erwartet man keine nennenswerte Handlung. Immerhin braucht man ja nur ein passendes Motiv, um zu den Ballereisen zu greifen und wie ein wilder Stier für Recht und Ordnung zu sorgen.


Wolfenstein II: The New Colossus gibt sich aber die Mühe, den Kampf gegen das Regime mit interessanten Haupt- und Nebencharakteren sowie emotionalen Momenten zu spicken, um eine packende Handlung zu bieten und sich nur gelegentlich im Shooter-Allerlei zu verlieren.


B.J. und seine Kameraden bekommen zahlreiche, bisher unbekannte Facetten spendiert, wodurch sich nicht nur humorvolle Einlagen, sondern auch tiefgründige Sequenzen ergeben, die wir so definitiv nicht erwartet hätten. Fremdschäm-Momente gibt es zu keinem Zeitpunkt.


Die Darstellung des unheimlichen Was-wäre-wenn-Szenarios verdient derweil abermals eine Auszeichnung. Detaillierte Uniformen und Ausrüstungen, verrückte Spots und witzige Poster ziehen euch mitten ins Geschehen und verleihen dem Regime einen düsteren Realismus. Und verdrehen historische Ereignisse und Fakten stellenweise so bösartig, dass es schon als parodisch-bösartig benannt werden darf.


Ähnlich beeindruckend ist der stete Wandel zwischen düsterem Regime-Szenario und herrlicher abgedrehter Baller-Action. Sicherlich wirken düstere Landschaften und fiese Gegner bedrohlich, skurrile Momente, beispielsweise die ausgeprägte Macke eines Verbündeten, bringen uns dann aber doch immer wieder zum Schmunzeln. Und runden die hervorragende Atmosphäre somit gelungen ab.



Schicker B.J.


Es ist eben diese Detailverliebtheit, die dem grafischen Aspekt verstärkt in die Karten spielen. Denn an fast jeder Ecke gibt es Kleinigkeiten zu entdecken, die der Spielwelt mehr Leben verleihen, den optischen Augenschmaus direkt auf ein neues Niveau befördern.


Ein Verdienst der mächtigen id-Tech-6-Engine, die Wolfenstein II: The New Colossus zu optischen Hochtouren anfahren lässt und somit eine verboten gute Figur macht. Neben allerlei Details gibt es nämlich auch butterweiche 60fps, wuchtige Effekte und schicke Zwischensequenzen, die zu keinem Zeitpunkt von nervigen Rucklern gestört werden.


Das spielt dem rasanten Gameplay natürlich perfekt in die Hand. Wenn man sich nämlich mit zwei Wummen ins Getümmel stürzt, wäre ein langsamer Schneckenablauf ein regelrechter Stimmungstöter. Aber dazu kommen wir jetzt erst.



Mit Bleispritzen zum Erfolg


Handlungstechnisch mag Wolfenstein II: The New Colossus einige Schritte nach vorne gemacht haben, bleibt beim Gameplay aber dann doch bei seinen Leisten: nämlich guter, alter Ballerkost!


Mit allerlei wuchtigen Knarren – die wir später sogar modifizieren und unseren persönlichen Bamm-Bamm-Vorlieben anpassen können – donnern wir durch die Level und stellen uns etlichen Regime-Soldaten entgegen, wobei diese vom einfach Soldaten bis hin zum schwer gepanzerten Überkämpfer wechseln.


Trotz umfangreichem Waffenarsenal kann man vom simplen Durchlaufen-und-Ballern aber nicht sprechen. Wolfenstein II ist verdammt schwer und konfrontiert euch immer wieder gerne mit schaffbaren, aber unfassbar fordernden Situationen, in denen unüberlegtes Handeln und fehlende Deckung schnell das Ende bedeuten können.


Zum Glück dürfen wir auch ruhiger vorgehen und fiese Regime-Anhänger nach und nach lautlos ausschalten, um die Truppenstärke vor dem ausbrechenden Duell zu dezimieren. Wie bereits beim Vorgänger geht das alles wie ein warmes Messer durch Butter und ermöglicht uns den Wechsel zwischen vernichtend laut und unbemerkt leise so gut, dass wir uns alleine deswegen nur schwer von der Konsole lösen konnten.



Skillen macht den Meister


Mein Skyrim-Herz schlug höher. Auch Wolfenstein II bietet euch keine Skill-Punkte, sondern lässt besondere Fähigkeiten durch steten Einsatz hochleveln. Und dieses Mal sogar deutlich vielschichtiger und freier als im Vorgänger.


Ihr wollt eine verbesserte Gesundheitsregeneration? Erledigt Gegner fleißig per Nahkampf. Mehr Geschwindigkeit beim Schleichen? Agiert stets als lautloser Killer. Mehr Schaden durch wuchtige Kugeln verteilen? Konzentriert euch auf Kopftreffer.


Das macht unfassbar viel Laune und animiert dazu, seinen eigenen Stil stets beizubehalten, gelegentlich aber auch mal neue Varianten auszuprobieren, um weitere Upgrades freizuschalten und B.J. noch mächtiger zu machen.


Kampfmods (zum Erreichen höher gelegener Ebenen oder zum Einschlagen brüchiger Wände) und Waffenupgrades sorgen dann für zusätzliche Power und eröffnen euch sogar alternative Routen und Taktiken, womit Wolfenstein II dann tatsächlich noch etwas taktische Tiefe in das Shooter-Gameplay bringt und somit die simplen Mechanik durchweg unterhaltsam gestaltet.



Lineare Level, optionale Aufgaben


Machine Games hat dem Trend widerstanden und Wolfenstein II nicht in ein Open-World-Kleidchen gesteckt. Gelegentlich bekommt man zwar ein wenig Freiheit geboten, wird oftmals dann aber doch nur durch recht gradlinige Schauplätze geschickt. Was natürlich immer noch nicht heißt, dass nicht zumindest ein kleines Stück Open-World-Kuchen abgeschnitten wurde.


An Bord der Hammerfaust können wir bereits abgeschlossene Missionen abermals anvisieren und verpasste Sammelobjekte aufsuchen (von denen gibt es knapp 300 Stück) oder erneut auf die Jagd nach fiesen Regime-Anhänger gehen, um unsere Skills weiter zu verbessern. Aber Vorsicht: die Areale präsentieren sich im Vergleich zum Erstbesuch leicht verändert und bergen somit auch neue Gefahren.


Wer getöteten Offizieren dann noch Enigma-Codes abnimmt und diese entschlüsselt, der schaltet optionale Mordaufträge frei, in denen man ranghohen Regime-Anhänger an den Kragen muss. Und für einen erfolgreich ausgeführten Auftrag natürlich allerlei schicke Belohnungen bekommt.


Durch einen recht abwechslungsarmen Aufbau der Nebenmissionen mag Wolfenstein II sicherlich keinen Innovationspreis gewinnen, animiert dennoch zum mehrmaligen Erkunden absolvierter Orte und treibt die auf knapp acht bis neun Stunden bemessene Spielzeit der Haupthandlung somit geschickt in die Höhe.


In Verbindung mit zwei unterschiedlichen Zeitlinien (verknüpft mit einer aus The New Order getroffenen Entscheidung) und dadurch zwei leicht unterschiedliche Story-Verläufen gibt es für B.J. Blazkowicz ausreichend zu tun. Und für Shooter-Fans somit etliche Stunden voller feinster Ballerkost, die mit erstklassigem Gameplay, schicker Technik und packender Handlung jegliche marginalen Schwächen gnadenlos ins Nirvana feuert.



Infos zur Zensur


Es ist schon erstaunlich, dass die Gewalt in Wolfenstein II: The New Colossus ungeschnitten auf dem deutschen Markt erscheinen darf. Immerhin gibt es alleine Dank Fiesling Frau Engel einige derbe Szenen, die selbst uns Gaming-Veteranen den Magen umgedreht haben.


Vollends verdienen tut die Shooter-Fortsetzung das Prädikat Uncut dann aber doch nicht. Denn wie bereits im Erstling sind verfassungswidrige Symbole vollends aus dem Spiel gestrichen, auch Nennung des Dritten Reiches und ähnlicher Begriffe lassen sich nicht auffinden. Und selbst ein handelnder Akteur erfährt einen Neuanstrich, um dem deutschen Gesetz nicht ins Netz zu gehen.


Gelegentlich wirkte das Umschiffen der Thematik ein wenig lächerlich – immerhin sollten Videospiele auch bei uns endlich als Kunst angesehen werden, um solchen Schnitten ein Ende zu bereiten. Letztendlich schadet es Wolfenstein II aber nur marginal. Denn ob wir nun auf Fieslinge aus dem zweiten Weltkrieg oder eben auf das Regime schießen, das ändert nur wenig.


Einziger Wermutstropfen: die englische Sprachausgabe lässt sich dadurch nicht anwählen. Immer werden die verbotenen Begriffe im Original gnadenlos ausgesprochen. Zum Glück hat man sich bei der deutschen Variante wenigstens Mühe gegeben und liefert passende Sprecher, die einzig mit der Lippensynchronität zu kämpfen haben.


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Fazit


Wolfenstein II: The New Colossus gelingt ein Kunststück, das so nur ganz wenige Shooter hinkriegen. Nämlich ein brachial packendes Action-Gameplay mit einer spannenden Handlung, interessanten Charakteren und sogar einer Prise Humor zu bieten.


Sicherlich hätten die Nebenaufgaben in puncto Abwechslungsreichtum etwas mehr Feinschliff vertragen, letztlich lässt sich solch eine Kritik allerdings problemlos als Meckern auf besonders hohem Niveau einstufen.


Wer also Part 1 liebte, der kommt an Wolfenstein II gar nicht vorbei. Und wer ansprechende Shooter-Kost mit ausreichend Tiefgang und fantastisch packender Handlung sucht, der darf ebenfalls zugreifen. Und dazu vielleicht auch gleich den ersten Teil in die Sammlung holen.

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